Stones Biografie - Interview mit einem Fan

  • Meine Tochter wird in der Schulklasse ein Referat zu den Rolling Stones halten. Sie hat mich interviewt: Das hat sie mitgeschrieben:


    Interview mit jemand, der seit 1965 bis heute Rolling Stones Fan ist (seit 42 Jahren)


    „Was die Rolling Stones uns gaben, war nicht einfach nur Musik, es war für uns eine Offenbarung, ein neues, nie gekanntes Lebensgefühl“


    Ich bin 2 1/2 Jahre nach dem 2. Weltkrieg geboren und habe meine Kindheit und Jugendzeit im Ruhrgebiet in Bochum und Essen verbracht. Wir haben in den Straßen noch in den Häuserruinen gespielt. Von den Vätern haben wir kaum etwas mitgekriegt, die mussten alles wieder aufbauen, Berufe, Firmen. Es gab noch vieles, was man sich nicht leisten konnte, dann Anfang der 60ger der erste Fernseher, das erste Auto in der Familie. Von den Eltern hörten wir nur Sätze wie: „lernen, lernen, lernen, wenn du es zu etwas bringen willst“ oder „Anpassen, nicht auffallen“ oder „töte dich mal etwas ab“ wenn man eigene Wünsche oder Vorstellungen äußerte, die mit denen der Eltern nicht überein stimmten. Man sollte den Beruf des Vaters erlernen, das war noch oft selbstverständlich.
    Im Radio spielten sie immer nur deutsche Musik, Drafi Deutscher: Marmor, Stein und Eisen bricht“, war schon das Höchste. Englische und Amerikanische Musik im deutschen Radio oder Fernsehen war kaum zu hören. Wir Jugendlichen hörten im Radio den englischen Soldatensender BFBS. In Deutschland waren ja vom Krieg her noch amerikanische und englische Soldaten stationiert. Dieser Radiosender hatte einmal die Woche die Sendung „TOP TWENTY“, Hits aus Amerika und England und es wurden immer auch die neuesten Musiktitel vorgestellt.
    Ich weiß es noch wie heute, eines Nachts, ich lag schon im Bett und hatte ein kleines Kofferradio unter der Bettdecke, damit es meine Eltern nicht hörten, wurde von einer Gruppe, die ich bisher nicht kannte, die Rolling Stones, das neue Stück „Satisfaction“ angekündigt, (In Wirklichkeit hieß der Song „I can`t get no satisfaction“ Ich war wie elektrisiert.


    Kennt ihr den Moment, wo man das Gefühl hat, die Kindheit ist zu Ende gegangen, etwas ganz neues, was bisher vor mir niemand erlebt hat, hat begonnen. Einige Monate später, auch das Datum weiß ich noch, am 12. September 1965 erlebte ich die Rolling Stones Live in der Grugahalle, das Taschengeld für 2 Monate, damals 8 DM, gab ich für die Karte aus, ich war damals 17. Alles war laut am Schreien und Kreischen. Viele Ohnmachtsanfälle, viel Polizei. In Berlin war nach dem Stoneskonzert die Waldbühne von den Jugendlichen kaputtgeschlagen worden. Alles Angepasste, was uns die Eltern und die Schule nach dem Krieg aufgedrängt hatten, wurde wie abgeworfen. Plötzlich hatten wir den Mut, uns, unsere Zeit und unsere Zukunft selbst zu gestalten.


    Meine Freundin war Beatles-Fan. 1966 war ich mit ihr in der Grugahalle in Essen bei einem Beatles-Konzert. Sie fiel 3-mal in Ohnmacht. Die Stones gefielen mir besser. Immer gab es einen „Krieg“ zwischen Stones- und Beatles Fans. Die Beatles, mit Anzügen und Krawatten auf der Bühne waren die Angepassten. Auch wenn die Eltern sich ärgerten, mit ihren „Pilzköpfen“, wie die Frisur damals genannt wurde, so waren die Beatles doch bei den Eltern beliebter, als die Rolling Stones. Die Eltern, die Alten, die Stones hassten sie. Sie waren die Ungewaschenen, die Langhaarigen, die Kriminellen, die Unerzogenen kurz: die Schande der Gesellschaft“, der Abschaum.
    Als damals im deutschen Fernsehen samstags die Sendung „Beat-Klub“ neu hineinkam, mit Musikgruppen aus England und Amerika, da ging ein Aufschrei durch Deutschland. Der Untergang des Vaterlandes wurde vorausgesagt.


    Mit dieser Musik konnten wir uns identifizieren, denn die Gesellschaft unserer Eltern war nicht mehr unsere. Und niemand konnte das besser zum Ausdruck bringen, als die Rolling Stones. Wir wollten sein, wie sie – ungewaschen, unerzogen, ja, auch die Schande der Gesellschaft.
    Sie brachten in ihrer Musik auch sexuelle Gefühle und Worte zum Ausdruck, das war bis dahin einziger Skandal. „I can`t get no satisfaction“ war z.B. in Amerika in vielen Radiostationen verboten zu spielen. „Let`s spend the night together“, ein anderer Stones-Hit aus der Zeit, war auch so ein sexueller Skandal, hieß es doch bis dahin, dass Mann und Frau erst nach der Heirat zusammenkommen. Mit Bravo und Dr. Sommer kam die sexuelle Aufklärung, unsere Eltern konnten das nicht. Da sprach man nicht drüber. Aber die Stones schrieen es heraus: Tut es!
    Es bildeten sich Gruppen, wie Mods, Hippies usw. 1966 fuhr ich mit einem Freund zu einem Konzert der Stones nach Holland, 1967 kamen sie nach Dortmund. 1968 begann in Deutschland die „Zeit der 68-Generation“: Demonstrationen auf den Straßen, Aufbegehrung gegen den Staat, die Poli-zei. Nichts sollte bleiben, wie es war. „Die Stones spielten: „Street fighting man“ (Straßenkämfer), das war unser Lebensgefühl.

    Musik is an incredible Power (Keith 2015).

  • Ich gratuliere Dir zu diesem Posting. Beim lesen habe ich Gänsehaut bekommen. Genau so war es. Wie Du weißt, war ich auch am 12. September 65 dabei und Du hast mich sogar fotografiert. Das Foto mit den Zuschauern in ihren Sitzreihen hängt vergrößert hinter mir.


    Ich kann nur so viel dazu sagen. Der 12. September 1965 hat mein Leben verändert und bis heute geprägt. Es ist wirklich so.

  • Ich habe zwar das Konzert 65 nicht gesehen, aber bin auch
    schon seid 40 Jahren infiziert.
    Aber ich kann mich gut an ein Referat meiner Tochter erinnern.
    Sie musste eine Biografie schreiben und ich sage zu Ihr " Schreib doch über die Stones"
    Gesagt, getan. Vater ganz stolz, wurde im Quellennachweis als 1. genannt.
    War seiner Zeit auch eine 1.
    Ich suche mit meiner Tochter schone eine weile danach, wäre auch was
    für unsern Treff. Vielleicht taucht es ja noch mal auf.


    PIB

  • Danke Gruga, grad für "jüngere" Generationen wie mich ist sowas sehr interessant zu lesen, ein Stüchkweit beneide ich Dich auch um das erlebte!


    Aber die anderen hier, Neandi, SFM etc., Ihr seid ja alle auch diese Generation, bringt doch auch mal eure Geschichten etwas ausführlicher, hätte schon eine Idee, was man damit machen könnte!

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    Sweet Cousin Cocaine, lay your cool cool hand on my head...


  • Gruga 65 schöner Bericht, ja die Welt, nicht nur wir war damals vollkommen anders.
    Wir mussten die Zwänge unserer Eltern abschütteln. Damals waren schon etwas längere Haare für viele Leute eine Provokation, ich selbst wurde auch oft von anderen Jugendlichen angestänkert, wegen der langen Haare.


    Schokolade gabs in meiner Kindheit in größeren Mengen nur zu Ostern und Weihnachten.
    Bananen waren eine Rarität.
    Und Jetzt ?
    noch nie gab es soviel Angebote, aller möglichen Waren, die Kids werden von Werbung überschwemmt.


    Ja die Stones,Not Fade Away, Heart OF Stone, It´s All Over Now, The Last Time, Get Off Of My Cloud usw, waren schon richtige Hämmer.


    Das bewundernswerte an den Stones ist vor allem das sie auch Krisen kreativ nutzen konnten. ( Leet It Bleed, Dirty Work).


    und sie auch heute noch eine Energie austrahlen, die auf der Welt einzigartig ist, so sind die Stones nicht nur Vorbild für die Älteren, sondern können auch noch viele junge Leute begeistern.

  • Let it Bleed - Krise? Wie meinste das?


    Bin etwas jünger, erst 1969 geboren - Mondlandung, harrharr, ob das was bedeutet? = Out Of Space

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  • Zitat

    LittleQueenie schrieb am 13.01.2008 15:36


    Let it Bleed - Krise? Wie meinste das?


    Bin etwas jünger, erst 1969 geboren - Mondlandung, harrharr, ob das was bedeutet? = Out Of Space


    die Drogensucht und Ausfälle von Brian Jones, die schließlich auch zum Tod führten.

  • Hier einmal eine kleine Episode zum 65er Konzert von mir. Durch das Konzert habe ich dann 1998 zwei VIP - Karten bei der Bild-Zeitung für das Konzert in Düsseldorf BtB gewonnen. Man mußte einen Bericht an die Bild-Redaktion senden unter dem Thema "Mein Erlebnis mit den Rolling Stones". Hier einmal das FAX, dass ich damals an die Bild-Redaktion gesandt habe.


    Hallo liebe Bild-Redaktion,


    erst einmal vielen Dank für die tolle Rolling Stones Serie die Ihr aufgelegt habt. Hier mein Erlebnis mit den Rolling Stones:


    Ich war 13, als ich in den Sommerferien 1965 bei meiner Oma im Radio hört, dass die Rolling Stones nach Deutschland kommen. Wieder zu Hause, bat ich meine Eltern, das Konzert in Essen besuchen zu dürfen, was meine Mutter aber strikt ablehnte. Für diese Negermusik geben wir kein Geld aus. Geld war halt knapp damals. Nach tagelangem hin und her, der Haussegen hing schief, durfte ich mir dann doch eine Karte für DM 8,00 kaufen und besuchte mit 2 Freunden die 1. Show in der Grugahalle am 12.09.65. Ein unvergessenes Erlebnis.


    Inzwischen bin ich Stones Sammler mit mehreren hundert Singles, LP´s und CD´s. Voriges Jahr habe ich mir dann einen Traum erfüllt, einmal die Stones in den USA zu sehen. Ich bin extra mit einem Freund, der 65 auch mit dabei war, über den großen Teich nach New York geflogen und wir haben das Konzert am 16.10.97 im Giants-Stadium New Jersey besucht. Einfach gigantisch. Es war mein 12. Stones-Konzert.


    Ich freue mich schon auf die Bridges-Tour in Germany.


    Übrigens, für meine Mutter ist die Stones-Musk auch heute noch Negermusik, aber sonst verstehen wir uns gut.


    Viele Grüße nach Hamburg.


    Antwort der Bild-Zeitung:


    Glückwunsch! Sie haben 2 VIP-Karten für die kommende Tournee der Rolling Stones in Deutschland gewonnen.


    Das genaue Konzert-Datum, die Anfangs- und Einlaßzeit sowie den für Sie gültigen Eingang finden Sie auf Ihrer Eintrittskarte.


    BILD wünscht Ihnen viel Spaß.[/B]