Die Presse über Shine a Light

  • Im aktuellen deutschen Rolling Stone ( Nr.5 Mai2008 ) ist ein sechsseitiger Artikel!


    Auf der Titelseite; Mick, Jack White und Keith;



    Titelgeschichte
    MICK, KEITH & JACK WHITE: Blues Brothers
    Jagger, Richards und Jack White sprechen über ihre gemeinsamen Wurzeln, die Freuden des Älterwerdens und den Film „Shine A Light“. Regisseur Martin Scorsese kommt ebenfalls zu Wort.




    --> http://www.rollingstone.de/con…eft/neues_heft_themen.htm

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  • Osterloh, Falk


    Konzertfilm: Der Rhythmus der Bilder


    PP 7, Ausgabe April 2008, Seite 183
    KULTUR





    Der Ausnahmeregisseur Martin Scorsese zeigt die Ausnahmeband „The Rolling Stones“ bei einem Konzert in New York.


    1962 ist Konrad Adenauer Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. 1962 stationiert die Sowjetunion Mittel- und Langstreckenraketen auf Kuba. 1962 läuft in den deutschen Kinos der Film „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ mit Heinz Erhard und Karin Dor. 1962 gründet sich die Band „The Rolling Stones“. Seither sind 46 Jahre vergangen. In Zeiten von „Deutschland sucht den Superstar“ ist das für Musiker nicht weniger als eine Ewigkeit. Doch die Rolling Stones stehen noch immer auf der Bühne. Und nicht nur das. Weltweit füllen sie 46 Jahre nach ihrer Gründung Stadien. Von kaum einer anderen Band kann man mit mehr Recht behaupten, sie hätte Musikgeschichte geschrieben.


    Martin Scorsese – für seine 23 Spielfilme wurde er mit 80 Preisen ausgezeichnet – hat nun versucht, sich diesem Phänomen auf Augenhöhe zu nähern. Für sein ungewöhnliches Filmprojekt „Shine a Light“ hat er elf der besten Kameramänner und -frauen der Welt versammelt, um zwei Konzerte der Band im altehrwürdigen Beacon Theater in New York zu filmen. Das Ergebnis ist ein herausragender Konzertfilm, bei dem die Kraft der Musik ungebrochen in optische Energie überführt wird. In schnellen, niemals hektischen Bildern, in rhythmisch präzisen Schnitten wird die Musik mit allen Sinnen greifbar. Mick Jagger, bestehend aus nichts als Falten und Knochen, liefert eine ekstatische, schweißtreibende Darbietung. Keith Richards wirkt altersweise tiefenentspannt.


    Ein ungewöhnliches Filmprojekt – Martin Scorsese (rechts), Chefkameramann Robert Richardson (Mitte) und Mick Jagger im altehrwürdigen Beacon Theater in New York
    Der gleichfalls entspannte Martin Scorsese lässt den Film augenzwinkernd mit einem Zwist über die Bühnengestaltung zwischen ihm und der Band beginnen. Und auch um einen Backstagebesuch vom Expräsidenten Bill Clinton samt Frau und Schwiegermutter kommen die Rolling Stones nicht herum. Zudem skizziert Scorsese anhand exemplarischer Ausschnitte aus früheren Interviews die Persönlichkeiten der einzelnen Bandmitglieder. Wenn Mick Jagger dabei über die Außendarstellung der Band philosophiert, wenn Keith Richards sein herablassendes Missvergnügen oder Charlie Watts seine Einsilbigkeit stilisieren, wird der Wandel offenbar, den die Band im Lauf der Jahre vollzogen hat. Speiste sich ihr Weltruhm in den 60er- und 70er-Jahren neben ihrer speziellen Musik auch aus ihrem speziellen Lebenswandel und ihrer kompromisslosen Rockstar-Attitüde, sorgt heute der pure Umstand für Aufsehen, dass sie in einem Alter noch auf der Bühne stehen, in dem sich andere in wohlverdiente Altersteilzeit begeben.


    „Shine a Light“ zeigt auf beeindruckende Weise, was hinter dem Phänomen der Rolling Stones steckt. Auf die Frage, was das letzte sei, an das er vor einem Auftritt denke, hatte Mick Jagger in einem frühen Interview geantwortet: „Ich denke nur noch daran, dass es ein gutes Konzert werden muss.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert.
    Falk Osterloh

  • So richtig ist die deutsche Filmfachpresse in Bezug auf Shine A Light nicht aus den Hüfte gekommen. Es gab eine Ausnahme, erfreulicherweise:



    Guter Tipp, danke, habs glatt bestellt!


    It’s only Rock’n’Roll (But I Like It)
    Von Kyra Scheurer


    Beatles oder Stones? Schon in früher Kindheit war mir die Bedeutung dieses Glaubensbekenntnisses bewußt, das lange vor »Mac- oder PC-User?« ganze Partys spalten konnte. Papa war für die Beatles, Mama für die Rolling Stones. Das verwirrte mich, zumal ein anderes Lied besagte, daß gerade Papa ein »Rollin’ Stone« sei. Als Kind war ich mehr für die Beatles, doch dann kam die Zeit der Pubertät. Und da erwischten mich, Terence Trent D’Arby hin oder her, Fotos des jungen Mick Jaggers kalt. Und mit den ersten Englischkenntnissen wollte ich auch lieber »alles schwarzmalen«, mit dem Teufel sympathisieren und vor allem nach Satisfaction suchen anstatt »ihre Hand zu halten« oder jemanden »mein Auto fahren« zu lassen – ich war einfach noch nicht reif für die Subtilität eines John Lennon. Trotzig auf Krawall gebürstet wie ich war, fand ich als heimlich Sentimentale mein Zuhause dann auch eher im Rotz-Rock von Mick als im viel zu pathosfreien Punk – »ich bin der Spring-auf-den-Tisch, ich bin aus Nichts«.


    Jahre später sind die Stones aus meinem Leben abseits der Familienfeiern fast verschwunden, die Tonspur des Alltags wird anders bespielt, zuhause bin ich generell eher im Film. Hier ist Scorsese eine wichtige Größe für mich. Und dann auf einmal die Berlinale 2008: Scorsese filmt die Stones. Scorsese-Bilder sind sofort abrufbar. Etwas länger überlegen mußte ich, welche Bilder mir zuletzt von der Band im Gedächtnis geblieben waren und erinnerte mich schließlich an einen TV-Bericht vor vielen Jahren, als der VW »Rolling Stones« präsentiert wurde, die Werkskapelle in Uniform auf der Tuba »Satisfaction« intonierte und Mick unfaßbarerweise dazu höflich lächelte. Ich glaube, da hatte ich die Stones innerlich abgehakt, sie als »geldgeile alte Säcke, die den Absprung nicht packen« gespeichert. Und dann der Film. Gesehen aus beruflichem Pflichtgefühl, dann voll überrollt von der Wucht der Steine. Und auf die emotionale Feelgood-Achterbahn geschickt vom weisen Meister Marty und seinem Gespür für den Humor dieser fünf Briten, die feinen Unterströmungen der Banddynamik und – vor allem – die unbändige Lebenslust dieser alten Säcke. Die Folge: ein sehr persönlicher »Fanartikel«, der mir nicht einmal peinlich ist. Denn dieser Film hat eine Hymne verdient, er hat mich an einem trüben Tag voll Arbeit unerwartet aus dem Trott gerissen und fröhlich über den Potsdamer Platz hüpfen lassen, als wäre ich wieder fünf und hätte neue Gummistiefel. Das kann entweder großes Kino oder ein großes Konzert.


    Was aber ist nun Shine a Light? Die ersten zwanzig Minuten sind tatsächlich sehr nah an großem Kino, Scorsese zeigt augenzwinkernd sich selbst und das Projekt im Werden – Mick und Marty, Kontrollfreaks im Grabenkampf. Dann Bill Clinton als »Vorgruppe«. Dann nichts mehr außer Rock’n’Roll. Aber auch das stimmt wieder nicht. Sicher, in erster Linie ist Shine a Light ein kameratechnisch brillant gecoverter Konzertfilm und für Menschen, die mit der Mick GmbH & Co. KG nichts anfangen können, gänzlich ungeeignet. Doch besonders in der Montage des sehr sparsam verwendeten, aber immer punktgenau plazierten und grandios ausgewählten Footage-Materials ist der Off-Kommentar des Filmemachers lesbar, und auch kleine anekdotische »Schmankerl« machen immer wieder deutlich, auf welchem Niveau hier beobachtet und dokumentiert wird: im Vorbeigehen die Peinlichkeit gezeigt, in der der dauerbalzende Opa Jagger noch einmal extra für das Fotohandy einer 16jährigen posiert, dann die lässige Nonchalance eingefangen, mit der Keith Richards die Mutter von Hillary Clinton begrüßt – diese kleinen Momente bleiben im Gedächtnis. Ebenso wie die Größe der Stones, bei ihrem Konzert Gäste wie Blues-Legende Buddy Guy und Christina Aguilera zuzulassen, Menschen also, die wirklich singen können. Und schließlich die unerwartet subversive Kraft, wenn die dauerrebellischen Fünf im abstinenten Amerika der Bush-Ära Muddy Waters intonieren: »Bring me Champagne when I’m thirsty, Bring me Reefer when I want to get high.« Plötzlich ist ganz klar, warum die alten Herren den Absprung nicht schaffen: Die Stones haben immer noch den Arsch voll Spaß auf der Bühne! Und auch noch miteinander und in ihren Rollen, wie die Pressekonferenz auf der Berlinale zeigte: Mick, der Profi, Ronnie, der jungenhafte Harmoniertrottel, Charlie Watts, der verschwiegene Sidekick der Band, und schließlich Keith Richards, immer noch zu kurz gekommen und staubtrocken im Humor: Was der Unterschied sei zwischen Shine a Light und dem Godard-Film über die Stones? »It’s French.«


    Quelle

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  • Warum Charlie Watts den Stones-Film hasst
    Zum ersten Mal wird die Berlinale mit einem Dokumentarfilm eröffnet: Zur Weltpremiere des Konzertfilms "Shine A Light" brachte Oscar-Gewinner Martin Scorsese am Donnerstag alle vier Bandmitglieder der "Rolling Stones" mit. Schlagzeuger Charlie Watts gefällt der Film nicht. Und die Dreharbeiten fand er auch furchtbar.


    Natürlich Charlie Watts. Die Frage, wer von den Stones beim Besuch in Berlin der Coolste ist, bedarf doch keines langen Nachdenkens. Der Schlagzeuger! Das geht schon draußen auf der Straße los. Während die Fans auf die Limousinen warten, wird eine grässliche Soul-Version von „Ruby Tuesday“ gespielt und dann deutsche Schlagerversionen von „As tears go by“ und "Honky Tonk Woman". Die Stones steigen dann aus, Mick Jagger und Keith Richards rufen laut „Hi“ und winken, nur Charlie Watts bleibt ruhig. Gaaaanz gelassen.


    Die Rolling Stones stellen "Shine A Light" vor, den Eröffnungsfilm der Berlinale. Regisseur Martin Scorsese hat ein Konzert in einem alten Theater in New York gefilmt, es war ein Auftritt zu Bill Clintons 60. Geburtstag. Die Band spielt glänzend, die vier Recken Mick Jagger, Keith Richards, Ron Wood und Charlie Watts sind gut aufgelegt. Viel Blues ist zu hören, etliche seltene Songs und selbstverständlich ein paar der Hits. Einige alte Interviewausschnitte mit der Band sieht man, putzige Selbstzitate. Aber eigentlich dient alles der Gegenwart. Die Rolling Stones inszenieren sich als absolut präsente Band. Als Geschäftsmodell, mit dem in Zukunft noch gerechnet werden kann und soll


    Der Saal wird wegen Überfüllung geschlossen
    Der Auftrieb in Berlin ist riesig, schon eine Stunde vor der Pressekonferenz wird der Saal wegen Überfüllung geschlossen. Man hätte die Veranstaltung glatt in ein Stadion verlegen können wie die üblichen Konzerte der Stones. Mick Jagger bedankt sich brav bei Dieter Kosslick und murmelt etwas von Ehre und Glück. Keith Richards nuschelt weitgehend Unverständliches, sein zerknautscher Hut wirkt ein bisschen so, als müsse er den Kopf festhalten, nicht umgekehrt. Wenn er lacht, gluckst er lautstark nach innen, Keith Richards amüsiert sich köstlich über Keith Richards, und niemand kann ihm das verdenken. Er sieht gut dabei aus. Die vier Rolling Stones und Martin Scorsese lachen viel. Mick Jagger ruft gerne "Ha Ha Ha", Scorsese intoniert höher als der Sänger. Ron Wood schweigt. Und Charlie Watts sowieso. Sie flachsen: Ja, Keith Richards habe ihnen allen vorher Schauspielunterricht gegeben, sagt Jagger, wo er doch nun Erfahrung bei "Fluch der Karibik 3" gesammelt habe. "We’re all actors", krächzt Ron Wood. Das ist sein ganzer Redetext.
    Als Mick Jagger einmal in Kolumbien anrief
    In "Shine a Light" sieht man einmal, wie sich die Musiker über Interviews lustig machen; sie werden seit mehr als 40 Jahren immer wieder das Gleiche gefragt, da muss man sich in Humor flüchten. Eine kolumbianische Journalistin bedankt sich bei Mick Jagger, dass er im letzten September im kolumbianischen Fernsehen angerufen hat. Mick: "Ich erinnere mich an den Anruf ganz genau." Sie: "Oh, wirklich?" Der ganze Saal lacht. Und die Frage? Wie wertvoll dieser Film für die Stones sei, auch finanziell, will die Journalistin wissen. Jagger wieder: "Sie meinen, ob es unser Mittagessen bezahlt?" Die Stimmung ist wirklich prächtig. Mit 16 Kameras ließ Scorsese drehen, aber sie hätten ihm auf der Bühne dann doch nicht im Weg gestanden, erklärt Keith Richards. "Es ist Martys Film, wir sind bloß die Hauptdarsteller." Mick Jagger erklärt, ihm sei es egal, ob er auf der Bühne auftritt oder im Film, "it’s all performing". Man habe sich eben bemüht, eine richtige Stones-Show zu liefern, das Live-Erlebnis so gut wie möglich zu konservieren.
    Ein Scorsese-Film ohne "Gimme Shelter"
    Für Martin Scorsese, der schon mehrere Musikfilme gedreht hat und in seinen Spielfilmen geradezu besessen Musik einsetzt, gehört die Stones-Musik zum Leben. Er hatte die Gruppe erstmals Anfang der siebziger Jahre gehört. Der Sound und die Stimmen hätten ihn enorm inspiriert. „Die Stones wurden für mich eine Art Grundlage für alle meine Filme.“ Vielleicht deshalb kommt das Lied "Gimme Shelter" in gleich drei seiner Filme vor, in "Good Fellas", in „Casino“ und in „Departed“. Mick Jagger ruft dazwischen: "'Shine a Light'" ist der einzige Scorsese-Film, in dem 'Gimme Shelter' nicht auftaucht." Und Charlie Watts? Er ist wie üblich am besten angezogen, trägt einen beigefarbenen Zweireiher. Während der Fragen stützt er die Hand ans Kinn und schweigt. Manchmal zieht er die Augenbrauen hoch. Und schweigt. Dann kommt die Frage, wie sich die Stones denn auf der großen Leinwand gefielen. "Oh, it’s cool", sagt Charlie Watts sanft. Alle Musiker lachen. Schlagworte
    Berlinale Kino Film Rolling Stones Martin Scorsese Berlin "Möchtest du es erklären?" fragt Mick Jagger. Er grinst.


    "Ich - also ich hasse es", sagt Watts. "Ich habe es gehasst, es zu drehen." Und dass er es hasse, sich selbst auf der Leinwand zu sehen. Dann verstummt er wieder.


    Mick Jagger lacht erneut. "So weit so, gut, Charlie", ruft Keith Richards. Man muss einfach immer auf den Schlagzeuger hören, der gibt schließlich den Takt an.
    von Holger Kreitling