Vor 20 Jahren waren wir alle anders als heute Wenn man sich die Aufnahmen Jahr für Jahr anschaut, wird man kaum irgendwelche Brüche feststellen, sondern einen langsamen Prozeß. Der größte Bruch der Stonesmusik wurde 1994 vollzogen, mit dem Voodoo Lounge-Projekt ging das Tempo von "rasant" auf "normal" herunter. Man kann ja mal bei Youtube stöbern: Slipping Away 1995, You Got The Silver 1999, The Worst 2002.
Es war keineswegs so, als hätte er über Nacht seinen Stil verändert. In den 70ern hat er immer auf die Gitarre eingedroschen und beim Gesangsversuch öfters das Mikrophon verfehlt In den 80ern lernte er beides unter einen Hut zu bringen. Danach ist ihm der Gesang und die Poserei (immerhin nach Erfindung der Videoleinwände) wichtiger geworden. Insgeheim habe ich schon so oft gedacht, daß die Stones irgendwas nicht (mehr) schaffen könnten. "Eine Tour mit 60 ist doch unmöglich." - "Can't You Hear Me Knocking ist live, ohne Mick Taylor und Jahrzehnte später nicht aufführbar." - "A Bigger Bang könnte ein Reinfall werden." Pustekuchen! Jedenfalls für meinen Geschmack. Seitdem hüte ich mich davor, den Stones Fähigkeiten abzusprechen. Und die Arthritis ist auch kein neues Thema, die Finger sind seit mindestens zehn Jahren so dick. Er hat sich damit arrangiert und trotzdem gut gespielt. Ich denke da vor allem an das HBO-Konzert 2003, welches zu meinen absoluten Lieblingen gehört.
Die Filmausschnitte von vorgestern sind schön zu sehen. Er ist beisammen. Die Musik war für einen Hubert Sumlin-Abend ausgetüftelt, nicht für Willie Nelson, nicht für Sheryl Crow, nicht für die Rolling Stones. Und den Geist der Bluespioniere haben Keith & Co an dem Abend gut getroffen, wie es scheint. Von daher glaube ich ist es schwierig, Rückschlüsse auf eine mögliche Stonestour 2012/13 zu ziehen. Bei einer Tour sind so viele Dinge möglich: Weniger Konzerte, mehr Pausen zwischen Konzerten, kürzere Setlists, mehr Konzerte in einer Metropole statt Tingelei durch die US-amerikanische Provinz, mehr langsame Stücke (auf der letzten Tour gab's i.d.R. nur eine einzige Ballade pro Abend!), eine musikalische Neuorientierung wie... weg von den Stadionshows, hin zu Hallenkonzerten im Sitzen, unplugged, bluesig, folkig, jammig, ruhig, urtümlich... Mickyboy hat immerhin neulich erst mit Superheavy seinen Drang zur Moderne ausleben können. So eine pauschale Aussage wie "das schaffen die nicht in Würde" ist mir zu platt. Sie sind keine 30 mehr, aber sie sind noch alle da. Charlie und Ronnie sind in den letzten Jahren sehr aktiv gewesen, Mick und Keith haben wir in dieser Woche sehen und hören können.
Wenn sie wollen, dann können sie auch. Und wie sie das können, können sie ja selbst entscheiden. Sie können alles!