1983 - 11 / November - Undercover

  • UNDERCOVER



    Deutschland 07. November 1983


    Rolling Stones Records EMI 1C064 - 1654361



    Side 1


    Undercover Of The Night 4:31


    She Was Hot 4:41


    Tie You Up (The Pain Of Love) 4:14


    Wanna Hold You 3:13


    Feel On Baby 5:05



    Side 2


    Too Much Blood 6:12


    Pretty Beat Up 4:04


    Too Tough 3:50


    All The Way Down 3:12


    It Must Be Hell 5:03

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    UNDERCOVER war 1983 die erste aktuelle Stones-Platte, die ich unmittelbar nach Erscheinen gekauft habe. Zuvor hatte ich lediglich den Sampler ROLLED GOLD mit Aufnahmen von 63-69.
    Ich mochte die alten Sachen und war gespannt, wie die Stones wohl auf einer aktuellen neu erschienenen Scheibe klingen würden.


    Bei diesem Zeitsprung von 1969 ins Jahr 1983 fiel mir zunächst einmal eine dramatische Veränderung von Mick Jaggers Stimme auf- tatsächlich klingt Jaggers Stimme auf UNDERCOVER streckenweise sehr fremd, ist manchmal kaum zu erkennen. Vermutlich war er damals nicht sonderlich gut bei Stimme, es könnte aber auch zumindest zum Teil einfach an der Abmischung der Platte liegen. 1983 verabschiedeten sich die Stones nämlich vom glasklaren, lupenreinen Sound der die letzten drei Alben geprägt hatte. Der Sound von UNDERCOVER tendiert wieder mehr in Richtung des wärmeren, aber auch etwas muffigen Sounds der Früh-70er-Platten.


    Musikalisch ist UNDERCOVER ein Mix von althergebrachter Stones-Stilistik und damals gerade modernen Sounds, inklusive mancher tiefer Griffe in die Producer-Trickkiste. Insgesamt gingen die Stones verstärkt in Richtung härterer Klänge, besonderes Augenmerk wurde dabei auf den Rhythmus gelegt, der vielfach schmutziger und schwärzer daherkommt als auf den letzten Platten. Der Sound ist wilder, ursprünglicher und subversiver geworden als etwa auf TATTOO YOU oder EMOTIONAL RESCUE. Auf eine Ballade wurde diesmal ganz und gar verzichtet, dafür klangen die Gitarren diesmal besonders erdig und dreckig.


    Undercover Of The Night
    Nach einem enorm druckvollen Intro, bei dem auch tief in die Studiotechnik-Trickkiste gegriffen wird, lässt Richards nach 22 Sekunden erstmals eines seiner knappen, griffigen Riffs erklingen und Jagger hebt zu einem wütenden politischen Pamphlet ab. Musikalisch sehr modern orientiert, dennoch dreckig und knallig, sehr rhythmusbetont, manchmal hektisch, fast nervös. Die Gitarren sind kantig, wütend, die Stimmung düster-bewölkt, aggressiv bis bedrohlich. Einer meiner Favoriten aus den 80er Jahren, guter Auftakt für das Album.


    She Was Hot
    Jagger gibt einmal mehr den Schürzenjäger, der nichts anbrennen läßt – musikalisch folgen die Stones hier den von ihnen schon gut ausgetretenen Pfaden. Dabei werden sie von Charlie Watts mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks vorangetrieben. Stellenweise wird das Tempo effektvoll variiert, ein Klavier honkytonkt im Hintergrund und Jagger steigert sich vor allem gegen Ende richtig rein. Ein guter Song, den die Stones vielleicht wieder für Konzerte ausgraben sollten.


    Pain Of Love
    Jagger mault im Sprechgesang und seine Stimme klingt dabei recht fremd. Eine ziemlich brachiale Nummer mit guten Gitarren, rhythmisch sehr stark. Auch wenn Mick´s Stimme nicht gerade auf der Höhe zu sein scheint, ist der Song einer meiner Favoriten des Albums.


    Wanna Hold You
    Keith´Auftritt besteht diesmal aus einem locker-flockigen Gute-Laune-Rock-Song, sehr melodiös und straight gespielt. Muss man einfach mögen. Die CD-Version bietet eine um eine Strophe längere Version.


    Feel On Baby
    Mein persönlicher Favorit des Albums. Ein verfremdeter Reggae mit jeder Menge Perkussion, ein toller Rhythmus-Track, bei dem aber auch die Melodie nicht zu kurz kommt und darüber hinaus auch noch Platz für eine bluesige Mundharmonika bleibt. Sehr gut gefällt mir hier Jaggers gedehnter Gesang.

    Everybody MUST get *STONED*

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    Too Much Blood
    Betont modern-funkiger Song, auch hier wieder sehr viel Perkussion. Eine Bläser-Section bringt Farbe ins Klangbild, die Gitarren rücken hier weit in den Hintergrund. Der Text wird von Jagger teils gesungen, teils gesprochen bzw. gerappt. Teilweise wirkt das alles schon wie ein Vorgriff auf Jaggers erste Solo-Platte. Mit Stones-Sound hat das ganze jedenfalls kaum etwas tun. Mir sagt die Nummer nicht so besonders zu. Zu wenig Stones-mäßig.


    Pretty Beat Up
    ist eine schräge Mixtur von Rock und Funk mit treibendem Rhythmus, aber wenig Melodie. Jagger schreit und grölt eher, als dass von Gesang die Rede sein könnte. Dazwischen gibt es ein scharfes Sax-Solo von David Sanborn und auch hier wieder jede Menge Perkussion. Ziemlich vertrackte Geschichte, aber bestimmt nicht übel und vor allem sehr intensiv.


    Too Tough
    Die restlichen drei Nummern bestreiten die Stones wieder mit von ihnen gewohnten musikalischen Ausdrucksmitteln. Too Tough ist ein schneller Rocker nach Stones-Schema, also Gitarren-Power gepaart mit einer Melodie, die gleich hängenbleibt. Nichts großes, aber gut.


    All The Way Down
    Hier gilt dasselbe wie für Too Tough. All The Way Down besticht zudem durch einen besonders griffigen Refrain – ein richtiger Ohrwurm. Mit diesem Song kommen die Stones vielleicht nicht in den Rock-Olymp, aber schön anzuhören ist die Sache allemal.


    It Must Be Hell
    Ein wild rockender Song mit sozialkritischem Text und mächtigen Gitarren. Die Nummer ist toll, wenn man drüber hinwegsehen kann, dass sich die Stones hier besonders schamlos selbst zitieren – das Riff ist nämlich (falls ich mich nicht arg täusche) eins-zu-eins geklaut bei Soul Survivor von Exile On Main Street.



    Bei UNDERCOVER handelt es sich meiner Meinung nach um eine etwas unterschätzte Stones-Platte. Jedenfalls findet sie selten Erwähnung, wenn von Alben der Stones die Rede ist. Liegt vielleicht auch daran, dass die Stones diese Platte nicht mit einer Tournee promotet haben und bei späteren Tourneen außer dem Titelstück keine Nummer des Albums ins Konzertprogramm genommen haben. Eigentlich schade, viele der Songs würden sich live sicherlich gut machen. Die Stones kommen hier dunkler, düsterer daher als auf den letzten Platten, irgendwie erdverbundener, die Musik kommt wieder mehr aus dem Bauch heraus. Mir gefällt die Platte nicht zuletzt auch wegen des aggressiven Untertons, der beim nächsten Album DIRTY WORK noch stärker zum Vorschein kommen sollte. Viele Bands und Solisten hatten Anfang der 80er einen künstlerischen Knick zu verzeichnen, wollten groß Kohle machen und schlugen sich wie etwa Bowie, Clapton und andere mit Radio-Kommerz auf die sichere Seite, die Musik wurde in den 80ern insgesamt seichter, weichgespülter. Vor diesem Hintergrund schlagen sich die Stones mit diesem Album alles in allem nicht schlecht, eigentlich sogar sehr gut.

    Everybody MUST get *STONED*

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    Kleiner Nachsatz:
    Undercover Of The Night war nicht der einzige Song des Albums, den die Stones später in Konzerten gebracht haben. Keith hat auf der Babylon-Tour auch noch Wanna Hold You gesungen.
    Sonst weiß ich aber von keinem weiteren Song, der´s ins Tour-Programm geschafft hätte.


    Noch was in eigener Sache: Danke für die lobenden Worte, die mich zuletzt hier oder per PN erreicht haben. Werde mich bemühen, etwa eine Alben-Besprechung pro Woche hinzukriegen, werde außerdem nach und nach die Reviews, die ich schon mal im alten Forum gepostet habe, auch hier reinstellen.

    Everybody MUST get *STONED*

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    "Undercover" ist ein ziemlich modernes (gemessen am Jahr 1983) und auch politisches Album geworden. Inspiriert durch die Bürgerkriege in Lateinamerika und die wirtschaftlichen Probleme in Großbritannien entstanden die Texte zu den auffälligsten Stücken, Undercover Of The Night, Too Much Blood, das vom Text her an "Gimme Shelter" erinnert, und It Must Be Hell. Das Video zu Undercover Of The Night (in dem Keith einen Rebellenanführer spielt, der den Unterdrücker Mick entführt und hinrichtet) wurde von der BBC zensiert, aber von MTV gespielt; währenddessen wurde der Videoclip zu She Was Hot (in dem für heute hoffnungslos veraltete special effects erotische Momente erzeugen sollen) von MTV geblockt und von der BBC gezeigt... Daran kann man mal sehen, wie sich die moralischen Maßstäbe im Laufe der Zeit verändert haben! Heute hat man sowohl für die Videos als auch für die uneinheitliche Zensur der Sender höchstens noch ein Lächeln übrig.


    Die Musik ist schon eindeutig von den 80er Jahren beeinflußt. Überraschend viele moderne Elemente wie eine drum machine, rap-ähnliche Gesangspassagen (in Too Much Blood) und Rhythmen finden sich hier. Damit dürfte endgültig ein Kräftemessen zwischen Mick und Keith begonnen haben; denn so sehr Mick daran interessiert ist, moderne Musik zu machen, so vehement bevorzugt Keith die klassischen Musikstile Rock 'n' Roll, Rhythm & Blues und ein wenig Reggae (wie bei Feel On Baby und dem flotten Wanna Hold You zu hören, in dem er seine neue Liebe Patti Hansen besingt).
    Das etwas funkige Pretty Beat Up wurde leider nie von den Stones live gespielt; schade, denn Ron Wood hat bei Solo-Auftritten gezeigt, wie schön der Song sein kann. Die unauffälligen Albumtracks Tie You Up, Too Tough und All The Way Down komplettieren das Ganze.


    Diese Platte konnte die hochgesteckten Erwartungen nach Unterzeichnung des rekordbrechenden Plattenvertrages mit CBS insgesamt nicht erfüllen. Besonders bemängelt wurde das Fehlen von schneidigen Riffs; so ist der Gitarrenpart von It Must Be Hell gleich dem elf Jahre älteren Soul Survivor. Mir gefällt dieses Album ganz gut; auch wenn kein absoluter Hit darin enthalten ist, entwickeln sich einige Songs zu netten Ohrwürmern. Eine echte B-Seite (und mittlerweile schwer zu finden) ist Think I'm Going Mad, das mit der zweiten Single She Was Hot im Januar 1984 veröffentlicht wurde.

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