1981 - 08 / August - Tattoo You

  • TATTOO YOU



    Deutschland 27. August 1981


    Rolling Stones Records EMI 1C064-64533


    Side 1


    Start Me Up 3:31


    Hang Fire 2:21


    Slave 4:55


    Little T & A 3:21


    Black Limousine 3:31


    Neighbours 3:32



    Side 2


    Worried About You 5:16


    Tops 3:46


    Heaven 4:21


    No Use In Crying


    Waiting On A Friend 4:32

    Einmal editiert, zuletzt von Street Fighting Man ()

  • TATTOO YOU


    Dieses Album wurde aus Aufnahmen zusammengestellt, die zum Teil schon mehrere Jahre im Archiv schlummerten. Diese Songs, alle in verschiedenen Stadien der (Nicht)Fertigstellung (zumeist fehlte der Text), wurden für TATTO YOU überarbeitet, hier und da mit ein paar Overdubs versehen und soviel ich weiß, von Jagger praktisch im Alleingang fertiggestellt. Das klingt nach Restl-Verwertung von Sachen, die für frühere Alben nicht gut genug waren – jedoch: der Eindruck täuscht. Aus dem Archiv-Material wurde eine sehr, sehr gute Platte zusammengestellt, welche zumindest ihre beiden Vorgänger klar übertrumpft. Dank Produzenten-Geschick merkt man der Platte diese Verfahrensweise überhaupt nicht an; bis vor einiger Zeit hatte ich keine Ahnung, dass die Scheibe auf diese Art und Weise zusammengestellt wurde.


    Seite Eins präsentiert die bewährte Mischung aus scharfen Riff-Rockern, Fund und Blues und überzeugt auf der ganzen Linie. Die gesamte zweite Plattenhälfte wurde für Balladen reserviert, eine derartige Häufung von langsamen Songs gab es weder vorher noch nachher auf einem Stones-Album. Diese Nummern sind allesamt keine üblichen Love-Songs, sodass sie gottlob ganz ohne Kitsch auskommen, vielmehr handelt es sich um Lieder mit eindeutigen Wurzeln in der Soul-Musik. Musikalisch würde ich die zweite Plattenhälfte als schick prodzierten „Edel-Disco-Soul“ einordnen. Dieser Sound war damals gerade der letzte Schrei, wirkt heutzutage vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas altbacken, aber immer noch sehr überzeugend.



    START ME UP
    Einer der ganz großen Hits der Stones, ein weltweiter Charts-Abräumer und seit Jahren bevorzugter Opener bei Konzerten. Rotziger Gesang, knappe grollende Riffs, im Hintergrund bösartig knurrender Bass und präzise schepperndes Schlagzeug – sozusagen die Quintessenz des Stones-Sounds. Ein echter Genie-Streich, fantastisch!


    HANG FIRE
    Eine sehr schnelle Nummer mit ungeheuer viel Drive. Sehr ausgelassen, ja überschäumend. Für Stones-Verhältnisse eine schon unverschämt fröhliche Nummer.


    SLAVE
    Lange Zeit von mir vernachlässigt, ist der Song seit ein paar Jahren einer meiner Top-Favoriten des Albums. Eine tolle, funkige Nummer die fast ohne Text auskommt und die Instrumental-Arbeit in den Vordergrund rückt. Der Titel lebt auch vor allem vom extra-scharfen, ekstatischen Saxofon, welches vom Jazz-Giganten Sonny Rollins geblasen wird. Rollings hat auf TATTO YOU noch weitere starke Auftritte. Die Version auf der CD-Ausgabe ist gute eineinhalb Minuten länger, mir aber immer noch zu kurz: Auf diesem Rhythmus-Teppich hätten die Stones noch endlos weiterjammen können. Was hätte etwa ein Mick Taylor noch aus der Nummer herausholen können!


    LITTLE T & A
    Die traditionelle Keith-Richards-gesungene Nummer des Albums. Eine weitere gelungene Version des bewährten Gitarren-Riff/Schlagzeug-Intros. Schöne, sehr melodiöse Gitarren, Keith scheint eine Menge Spaß an dem Song zu haben. Mir geht's da genauso.


    BLACK LIMOUSINE
    Eine schnell gespielte Blues-Nummer mit schönen Schrammel-Gitarren, Piano und Mundharmonika. Jagger ist wie auf dem ganzen Album in Hochform.


    NEIGHBOURS
    Eine echte Perle von einem schnellen Rocker, sehr präsente Gitarren und Charlie Watts weit im Vordergrund. Ein leichter Song, der gute Laune macht, nicht zuletzt auch wegen des Saxofon-Solos. Ein sehr frischer, sehr direkter Song.


    WORRIED ABOUT YOU
    Eine edle DeLuxe-Disco-Nummer mit viel Soul-Feeling. Jagger startet mit Falsett-Gesang, für den er Anfang der 80er Jahre eine ausgsprochene Vorliebe zu haben schien. Später steigert sich der Song zu großer Intensität und Jagger wechselt in seine übliche Stimmlage. Sehr gute Gitarren-Arbeit. Für mich die beste Ballade des Albums.


    TOPS
    Noch eine intensive Ballade, in der Jagger stellenweise seine Falsett-Stimme einsetzt. Die Nummer hatte schon etliche Jahre auf dem Buckel, bevor sie für dieses Album aufpoliert wurde, so kann man hier noch einmal Mick Taylor an der Gitarre erleben.


    HEAVEN
    verströmt eine traumhaft-unwirkliche Atmosphäre. Jaggers Stimme kommt stark verfremdet, ebenso die Gitarren. Klingt ein bißchen nach Roxy Music in den 80er Jahren.


    NO USE IN CRYING
    Sehr schöne Modern-Soul-Nummer, langsam und getragen.


    WAITING ON A FRIEND
    Ein klavier-lastiger Song mittleren Tempos, sehr melodiös, guter Rhythmus, vielleicht ein bißchen zu schunkelig. Nicht wirklich herausragend, aber sehr angenehm zu hören. Auch hier gibt's ein gutes Saxofon-Solo zu hören. Auch diese Nummer ist so alt, dass auch hier wieder Mick Taylor zu hören ist.

    Everybody MUST get *STONED*

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  • TATTOO YOU


    Noch jedesmal entsteht dieses Prikeln, wenn monatelang keine Stones auf dem Teller lagen und dann ein neues Album eintrifft. Derartige Abstinenz darf aber nicht blind machen. Auch jetzt wieder hochgestellte Ohren bei Jagger und Richards ersten Tönen - das sins sie und nur sie! Oder doch nicht? Denn "Start Me Up" liegt riffmäßig im Bereich von Frees "Alright Now" Note 4. Ein Bißchen flotter, straight, doch recht gleichförmig kommt "Hang Fire" noch 4. Die Glocke aus Honky Tonk Woman kündigt - im gleichen Tempo - Slave an, die Hülse eines Songs, positiv aufgefüllt von untermalender Orgel und E-Piano. Endlos-Wiederholungen im Text, schön schräges Saxophon: 3. Der erste Ausfall heißt "Little T&A". Chauvi Richards singt ausgesprochen mäßig einen farblosen Rock`n Roll. Charlie holzt. 2. "Black Limousine", mitkomponiert von Ron Wood, ist der Blues. So grandios wie 1966 die B-Seite "Who`s Driving Your Plane?" Feine Harmonika: 5. Neighbours - Charlie holzt schon wieder, trotzdem guter Standard im gesteigerten Tempo. "Send It To Me" allerdings klag sehr ähnlich: noch 4. Seite zwei überrascht. Fünf durchweg ruhige Nummern, qualitativ fast auf einer Ebene. "Worried About You", "Tops", "No Use In Crying" und "Waiting On A Friend" sind gut: 4. Was hiers stört, ist der mittlerweise ermüdenden uninterssante Eunuchengesang, der immer wieder die Kock-Kanten abschleift und das Material aufweicht. Tendenz: SalonDisco (sie kämen auch ohne sowas in die Charts). Gelungen dagegen die Verzerrung dieses Gewispers und akttraktive Hall/Echo-Effekte in "Heaven": 5 Macht alles in allem eine glatte 4, nicht weniger, aber auch keinesfalls mehr. Und genauso ist letzlich der Gesamteindruck nach dem dritten Durchlauf. TATTOO YOU gefällt mir wesentlich bessen als EOTIONAL RESCUE und SOME GIRLS. Die Jubelarien um diese Platten verstehe ich bis heute nicht.


    ****


    Musik-Express September 1981

  • TATTOO YOU


    Diesmal hat das Quintett kein wirklich neues Album gemacht, sondern Rohfassungen aus den letzten Jahren zu neuen Songs verarbeitet. Dennoch ist es wirklich gut geworden, übertraf sogar noch den Erfolg von "Some Girls" und verhalf der Band zusammen mit der Welttournee 1981/82 mal wieder den Sprung an die Spitze der Rockszene.


    Den Anfang macht Start Me Up, ein Sahnestück, das ursprünglich als Reggae (!) geplant gewesen war. Es folgt ein kurzes, schnelles Hang Fire mit politischem Text und ein lässig-bluesiges Slave mit Saxophonlegende Sonny Rollins. Auch Keiths Titel ist rockig und wiederholt mit direkter Wortwahl ("little tits and ass"). Mit dem fetzigen R&B Black Limousine und einem geradeaus steuernden Neighbours geht der schnelle Teil des Albums zu Ende. Zu Neighbours hat Mick einen Text über Keiths oftmals gespanntes Verhältnis zu seinen Nachbarn geschrieben.


    Die B-Seite von "Tattoo You", das gegen Keiths Willen nicht einfach "Tattoo" getauft wurde, hält ruhigere Songs bereit. Worried About You ist eine liebliche Ballade mit Mick am Keyboard, hat viele Freunde unter den Stonesfans und wurde zu deren Überraschung und Freude bei einigen Klubkonzerten 2002/03 live gespielt. Tops und No Use In Crying zielen in die gleiche Richtung, gefallen mir aber nicht ganz so sehr. Das verträumte Heaven ist für mich ein Geheimtip und wurde ausschnittsweise im Kinofilm "Vanilla Sky" verwendet. Waiting On A Friend (wieder mit Sonny Rollins) schließlich ist ein Lied, das auch einige Jahre später noch bekannt gewesen dürfte; es verbreitet eine harmonische Atmosphäre, genauso wie der Videoclip, der die Glimmer Twins in lieber Eintracht zeigt.


    Die LP ist keine bloße "Resteverwertung" aus vergangenen Aufnahmesessions, sondern ein rundum gelungenes Album; dank des Überfliegersongs Start Me Up vielleicht sogar ein Meilenstein.

    Les Trois Tetons in Oberhausen - ich war dabei

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