LET IT BLEED
Obwohl die Bedingungen nicht leicht waren (Brian Jones wurde im Juni rausgeworfen und starb vier Wochen später), spielten die Stones nach "Beggars Banquet" weiterhin gute Musik ein. Den Anfang machte die Single Honky Tonk Women, die Anfang Juli des Jahres rauskam. Der neue Gitarrist Mick Taylor ist auf dem Album allerdings nur auf zwei Stücken zu hören, der Rest wurde wieder von Keith Richards allein gespielt.
Diese LP ist bestückt mit zahlreichen Klassikern, die bis heute nichts an Energie verloren haben. Der aggressive Grundton des Vorgängeralbums haben die Stones nicht nur fortgesetzt, sondern gar verstärkt. In Gimme Shelter beschreit Mick Jagger Mord und Totschlag und auch der Midnight Rambler handelt von Gewaltverbrechern und Vergewaltigern - eine bis dato neuartige Verbindung mit tanzbarem Rock and Roll. Die Langversion von You Can't Always Get What You Want und auch das hervorragend bluesige Love In Vain gehören ebenso zu den Höhepunkten dieser Platte.
Eine Platte, die so ausgesprochen gut geworden ist, daß sogar vermeintlich unauffällige Albumtracks in den Bann ziehen. Monkey Man ist die perfekte Mischung aus psychodelischer Rockmusik und Stonesscher Power. Live With Me ist direkt und geraderaus wie es nur geht. Der Sound ist noch so rauh wie beim letzten Album, wenn nicht sogar noch apokalyptischer; er ist aber auch schon an zwei Stellen um eine Kleinigkeit verfeinert worden mit einem Saxophonsolo von Bobby Keyes in Live With Me und dem Londoner Philharmoniechor in YCAGWYW. Der Titel ist an das zeitnah erschienene "Let It Be" von den Beatles angelehnt; ursprünglich sollte die LP "Sticky Fingers" heißen, doch was noch nicht ist, kann ja noch werden.
Der neue Countryeinfluß, der sich seit dem letzten Jahr bemerkbar macht, hat in drei Liedern Einzug gehalten, nämlich in Country Honk, Let It Bleed und You Got The Silver, bei dem Keith sein Gesangsdebut gab. Doch wie bei seinen Einlagen vor dem Mikrophon, so werden auch die vom Country geprägten Songs in Zukunft noch besser. Von den dreien ist der Titelsong am besten; in diesem eigentlich normalen Liebeslied verbergen sich aber einmal mehr Anzüglichkeiten.
Zum Schluß noch zwei Anmerkungen: Ungewöhnlicherweise wurde kein Song als Single ausgekoppelt. Und ein Hinweis aus dem Booklet, den man sich jederzeit zu Herzen nehmen sollte:
"THIS RECORD SHOULD BE PLAYED LOUD"