"The Rolling Stones out of their heads"
"Den Stones-Tross würde nur der Tod von einem von uns aufhalten", hatte Gitarrist Keith Richards (63) erst kürzlich der "Hamburger Morgenpost" gesagt. Allein seit 2005 touren die Stones unter dem "A Bigger Bang"-Logo um die Welt, immer wieder unterbrochen von diversen Gebrechen der Bandmitglieder: So mussten Auftritte abgesagt oder um Wochen verschoben werden, nachdem Richards aus einer Fidschi-Palme gestürzt war und sich am Kopf verletzt hatte. Mick Jagger plagte eine Kehlkopfentzündung, wegen der auch Konzerttermine platzten. Damit nicht genug, ließ auch noch der Kartenvorverkauf zu Wünschen übrig. Deshalb entschlossen sich die Organisatoren dazu, die Düsseldorfer Bühne auf der Längs- und nicht auf der Kopfseite der Arena aufzubauen und nur noch Platz für 25.000 Fans zu lassen. Und auch die Ticketpreise wurden kurz vor dem Konzert nochmals gesenkt: Statt für 82 Euro waren die Günstigsten nun schon ab 59 Euro zu kaufen.
© Achim Scheidemann/DPA Jagger hat sich jede Falte hart erarbeitet
Erst die Nahaufnahme verrät das wahre Alter
Doch wer unter diesen Umständen glaubte, eine abgetakelte Alt-Herren-Band vorzufinden, wurde eines besseren belehrt: In Röhrenjeans und Glitzer-T-Shirt sprang Mick Jagger auf die Bühne wie ein Aerobictrainer und bewies einmal mehr, dass man seinem Stil nur lange genug treu bleiben muss, bis er wieder in Mode kommt. Auch Richards, Ronnie Wood (60) und Charlie Watts (66) strahlten coole Lässigkeit aus - erst die Nahaufnahme auf der kinogroßen Leinwand zeigte die Tiefe ihrer Falten. Wie viel Kraft in dem 64-jährigen Jagger noch steckt, bewies er auf der etwa 60 Meter langen Bühne, die er im Galopp einnahm. Schon der obligatorische "Start me up"-Anfangstrack riss die Zuschauer im Innenraum von ihren Stühlen und ließ sie für den Rest der Show im Stehtakt. Sicherlich auch, weil die Stones kaum Stücke der der namensgebenden Studio-CD spielten, sondern das Publikum mit ihren Klassikern erfreuten.
Jagger, dessen körperlich schmale Präsenz die Bühne erfüllte, gab den perfekten Entertainer: Plauderte auf Deutsch, animierte zum Mitsingen und stachelte die Köln-Phobie der Düsseldorfer an. Natürlich sind die Rolling Stones eine perfekt eingespielte Band, trotz ihres Alters und ihrer Fehden musikalisch untadelig, aber viel Raum neben einem wie Jagger bleibt den andern Mitgliedern nicht. Der einzige, der sich seine 15 Minuten erboxte, war Keith Richards, der mit rauchiger Stimme zwei Songs ins Mikrofon röchelte. Nicht rund, aber romantisch.
In der zweiten Hälfte der Konzerts machten die Stones dann auch die Fans in den hinteren Reihen glücklich: Ein Teil der Bühne schob sich mitten in den Zuschauerraum und unter johlendem Beifall absolvierte die Band einen Hit nach dem anderen: "It's only Rock'n'Roll", "Satisfaction", "Honky Tonk Woman", "Sympathy for the devil", "Paint it black" - eben alles was das Herz des 55-Plus-Fans begehrt. Da schunkelte auch so manche Düsseldorfer Kö-Tussi, die zu anderen Zeiten wohl eher den Antichrist in diesen Rock-Wüstlingen gesehen hätte als einen anzuhimmelnden Alt-Star. Jüngere Fans waren kaum zu sehen auf diesem Konzert - und wenn, dann in Begleitung eines Elternteils. Allerdings mit verkehrter Rollenverteilung als man das von Boyband-Konzerten kennt.
Alben von Rocklegenden, die partout nicht von der Bühne wollenLohnt es sich noch, das Geld für ein Konzert der dienstältesten Rock-Band ausgeben? Auf jeden Fall. Musikalisch sind die vier plus diverser Gastmusiker vielleicht besser denn je. Die Bühne mit LCD-Wänden, aufblasbarer Zunge und Feuerwerk ist schon ein Erlebnis für sich. Und wer weiß - vielleicht ist "A Bigger Bang" tatsächliche die letzte Tournee der Rolling Stones. Auch wenn Richards Fragen nach dem Aufhören empört von sich weist: "Einen alten, gebrechlichen Mann fragt man doch auch nicht, wie lange er noch ohne Gehhilfe gehen will."
Der letzte Teil ihrer seit 2005 laufenden "A Bigger Bang"-Tour begann am 5. Juni 2007 in Belgien und endet am 26. August 2007 in London. Das letzte Deutschland-Konzert findet am 15. August 2007 in Hamburg statt.
Artikel vom 14. August 2007