"Die Fans der Stones sind totale Trottel"

  • "Die Fans der Stones sind totale Trottel"
    Luke Pritchard, Sänger der britischen Erfolgsband The Kooks, über die Sechzigerjahre und ihre geldgierigen Veteranen
    2003 rief der Student Luke Pritchard an der Hochschule für Moderne Musik in Brighton eine Band ins Leben. Das Quartett The Kooks berief sich im Namen auf einen David-Bowie-Song von 1971. Das Albumdebüt "Inside In/Inside Out" ging 2005 musikalisch noch weiter zurück, in die Sechzigerjahre. Es verkaufte sich weltweit zwei Millionen Mal. Die Kooks verbanden durch ihre Melange aus Britpop, Blues und etwas Reggae ein älteres, überwiegend männliches mit einem sehr jungen, eher weiblichen Publikum. Das aktuelle Album "Konk" (Virgin/EMI) ist nach dem Ort der Aufnahmen benannt. Das Studio Konk wird von Ray Davies betrieben, dem Sänger der Sechziger-Band The Kinks. So klingt die Platte dann im Wesentlichen auch. Schon 1968 wären die Kooks nicht als Visionäre aufgefallen, dafür aber als auffallend geschmackvolle Songschreiber.


    DIE WELT:


    War früher alles besser?


    Luke Pritchard:


    Warum stellen Sie ausgerechnet mir diese Frage? Ich bin erst 23 Jahre alt.


    Ihre rückwärts gewandte Musik klingt fast doppelt so alt.


    Pritchard:


    Es war alleine schon deshalb nicht alles besser, weil es damals die Kooks noch nicht gab. Außerdem hat uns die Popgeschichte doch gezeigt, dass aus den größten Idealisten im Pop spätestens nach der zehnten Million auf dem Konto Zyniker geworden sind.


    Und Sie haben nach Ihrem Mehrfachplatin-Debüt prompt Ihren Bassisten verloren.


    Pritchard:


    Man braucht starke Gene, um den Rock'n'Roll-Lebensstil für sich so relativieren zu können, dass er einen nicht auffrisst. Wenn ich eine Band wie die Rolling Stones und deren Fans betrachte, vor denen wir zweimal gespielt haben, werde ich zum ausgewachsenen Antagonisten.


    Hat deren Publikum Ihre Musik nicht gebührend gewürdigt?


    Pritchard:


    Oh Mann! Die Stones hatten uns als Support eine ganze Tour angeboten, und ich bin froh, dass wir die Offerte ausgeschlagen hatten. Uns gegenüber waren die vier Jungs zwar cool, aber deren Fans sind totale Trottel. Die haben vermutlich gar nicht bemerkt, dass es nach ihren Helden noch andere Musik gegeben hat. Die sind halt nicht musikbesessen. Die leiden an einer Stones-Obsession.


    Wenn alles so weitergeht bei Ihnen, leidet Ihr Publikum in spätestens zehn Jahren an einer Kooks-Obsession.


    Pritchard:


    Die Gefahr besteht. Aber erstens sind unsere Einflüsse vielfältiger als die der Stones. Zweitens geht es bei uns nicht primär um Geld, Geld und nochmals Geld.


    Worum geht es Ihnen denn primär?


    Pritchard:


    Die Kunst einer Rockband im Jahr 2008 besteht darin, dem falsch verstandenen Individualismus der modernen Welt ein verbindendes Element in Form von Songs entgegen zu setzen. Seit unsere Songs durch massiven Radioeinsatz Teil der Kultur geworden sind, hat sich für mich vieles relativiert. Auch ehemalige Helden.


    Lobreden von Veteranen wie Ray Davies lassen Sie unberührt?


    Pritchard:


    Wir fühlten uns natürlich geschmeichelt. Trotzdem kommen mir die Meinungen meiner Helden nicht mehr so relevant vor, seit ich selbst Sänger einer erfolgreichen Band bin. Nicht weil ich mich für den Größten halte, sondern weil Heldentum eindeutig verklärt. Wenn ich in Postergröße an der Wand eines Mädchenzimmers hänge, macht mich das nicht potenter als ich tatsächlich bin.


    Was macht gute Popmusik aus?


    Pritchard:


    Guter Pop schöpfte immer aus der Gabe, ein Anliegen schnell auf den Punkt zu bringen. Man hat drei Minuten Zeit dafür. Wer es schafft, aus dieser Beschränkung eine Tugend zu machen, sieht als Musiker auch heute noch einer goldenen Zukunft entgegen.


    Auch wenn Guy Hands, der neue Eigentümer ihrer Plattenfirma EMI, Künstler als Faulpelze beschimpft und ihnen wenig Hoffnung für die Zukunft macht?


    Pritchard:


    Uns hat niemand gedroht, weil wir glücklicherweise eine erfolgreiche Band sind. Andererseits kann ich die angedrohten Streiks mancher Kollegen nicht nachvollziehen. Wer, wenn nicht Robbie Williams oder vor ihm Mariah Carey mit ihren abartig astronomischen Garantiesummen, sind denn Schuld an der Misere von EMI? Glauben Sie, dass sich einer dieser Megastars jemals Gedanken darum gemacht hat, dass die Millionen, die ihm zugeflossen sind, zum Aufbau von Nachwuchsbands hätten genutzt werden können? Genau diese Typen gefallen sich jetzt als Fürsprecher der Künstlergeneration, zu der wir gehören. Das ist lächerlich.


    Ist es eine Bürde, von den früheren Großtaten englischer Popmusik leben zu müssen?


    Pritchard:


    Nein. Denn wir besitzen die Frechheit, uns diese so genannten Großtaten auf einem Tablett servieren zu lassen, um sie zu zerstören. Meine Songs sollen die Welt nicht aus den Angeln heben, sondern speziell meiner Generation Mut machen, aus ihrer kollektiven Starre zu erwachen.


    Woher rührt die Verzweiflung Ihrer Generation?


    Pritchard:


    Bevor wir eine eigene Stimme finden konnten, wurden wir überfüttert. Mit 150 TV-Programmen, dem Internet und all den tollen neuen Kommunikationsmöglichkeiten, die soviel Informationen freisetzen, dass sie keiner mehr verarbeiten kann. Im Grunde leidet meine Generation unter den gleichen Kontrollmechanismen wie die Leute in der einstigen Sowjetunion. Dort wurde Zensur durch unterdrückten Informationsfluss ausgeübt. Unsere Zensur heißt Informationsüberfluss. Das schafft Angst, Unsicherheit und ruiniert jedes Zusammengehörigkeitsgefühl.


    Es gibt also keine Gemeinsamkeiten zwischen Amy Winehouse, den Kooks und Pete Doherty?


    Pritchard:


    Doch, die geteilte Apathie der MySpace-Generation. In uns steckt der Wunsch, den Lauf der Dinge ändern zu wollen. Aber weil soviel um uns herum passiert, lassen wir den Dingen einfach ihren Lauf. Insofern würde ich gerne in den Sechzigerjahren leben. Damals konnte man mit einer Botschaft noch etwas bewirken. Heute ist der allgemeine Geräuschpegel dafür viel zu hoch.


    Am Ende Ihres neuen Albums, klingt Ihre Band wie Jethro Tull in den Sechzigern.


    Pritchard:


    Das ist ein cooler Vergleich mit einer Band, die zumindest in ihrer Frühphase cool war. Ich möchte mich nie für meine Musik schämen müssen.


    Auch Sie werden irgendwann erwachsene Musik machen.


    Pritchard:


    Nicht solange Sex als Antrieb bleibt. Andererseits: ist Phil Collins nicht auch erst kürzlich wieder Vater geworden?
    Welt online

  • Oh schön! Mal wieder ein Thread, in dem man sich zum Trottel bekennen kann :banana :stonestongue



    NB: hatten wir das nicht schon vor paar Wochen :think

    ~ Words are not enough to say how thankful I am, Keith! ~

  • ... wenn wir uns da so einig sind, dann können wir ja den TreffTreff auch ganz gut in TrottelTreff umbenennen....