50 Jahre Rolling Stones
London (dpa) It's all over now» - es ist alles vorbei:
Bis auf weiteres dürfte man diese Worte von den
Rolling Stones höchstens als Song hören. Zwar sehen die Mitglieder einer
der berühmtesten Bands aller Zeiten mittlerweile etwas knittrig aus,
angegriffen von den Zeichen der Zeit, aber das Thema Tour oder neue Platte ist noch
nicht abgeschlossen. Ganz anders sieht es da mit den Anfängen aus.
So richtig kann sich keiner mehr erinnern, wie das alles war, damals.
Als Gründungstermin hat man sich weitgehend auf den ersten Auftritt der Band
im legendären Londoner Marquee-Club am 12. Juli 1962 geeinigt.
Um den Abend und die Anfänge insgesamt schwebt wie bei so vielem, was
mit den Rolling Stones zu tun hat, eine Art Mysterium. Wie genau sah die
Besetzung aus? Was wurde gespielt? Und vor allem: Liegen die Ursprünge
der Stones nicht viel weiter zurück, um 1950, als sich Mick Jagger und
Keith Richards in der Grundschule kennenlernten?
Mancher meint auch, der entscheidende, weltbewegende Moment war ein
Oktobermorgen 1961 am Bahnhof der englischen Ortschaft Dartford.
Da trafen Jagger, später Sänger und Bandleader, und Richards, bald schon
Gitarrist, nach einiger Zeit der Funkstille wieder aufeinander. Nichts
als Musik sollen die Jungs im Kopf gehabt haben. Über die sprachen sie
auch, und konnten nicht ahnen, dass sie wenige Jahre später Welthits
zusammen schreiben würden. Die Fahrt ging Richtung London. Dahin führte
auch ihr persönlicher und musikalischer Weg.
Eher durch Zufall, weil eine andere Band ausfiel, sollen Richards,
Jagger und die anderen Bandmitglieder, die die beiden angeworben hatten,
auf der Marquee-Bühne gelandet sein. Sie nannten sich nach einem
Muddy-Waters-Song «Rollin' Stones», noch ohne das «g».
Die Musikzeitschrift «Rolling Stone» - naturgemäß dem exakten Wissen über
ihre Namensgeber verpflichtet - weist auf die Fallstricke hin, die jedem
begegnen, der die Geschichte der Stones schreiben will.
Sicher ist demnach aber, dass am Abend des 12. Juli folgende junge
Männer dabei gewesen sein sollen: Jagger (18), Richards (18), Brian
Jones (20) an der Gitarre, Dick Taylor (19) am Bass, Ian Stewart (23) am
Piano. Diskussionen gibt es um Mick Avory und Tony Chapman, und auch um
die Setliste. «Verdammt dünne Faktenlage also für ein derart
weltbewegendes Ereignis», kommentiert der «Rolling Stone».
Aber schließlich habe damals auch noch niemand wissen könne, «dass
ausgerechnet dieser Abend den glühenden Grundstein für die essenziellen
Kapitel der Popgeschichte legte».
Es folgten Jahre des Erfolgs, Höhen und Tiefen, persönliche
Schicksalsschläge und große Triumphe. Schlagzeuger Charlie Watts kam
schnell dazu, musste aber überredet werden, denn als Designer hatte er
ein gesichertes Einkommen. Jagger, Richards und Watts sind heute noch
dabei - ansonsten gab es aber einiges an Fluktuation in 50 Jahren
Bandgeschichte. Im Sommer 1969 spielte sich eines der tragischsten
Kapitel ab: Gitarrist Brian Jones wurde tot, mit Drogen und Alkohol im
Blut, in einem Swimming Pool gefunden. Tage vorher war er von der Band
entlassen worden. Der vierte Stone von heute, Ron Wood, kam erst 1975
dazu.
Die Stones lieferten den Soundtrack für gesellschaftliche Entwicklungen,
heißt es zum 50. Jubiläum immer wieder. Dabei haben sie am eigenen
Mythos von Anfang an fleißig mitgestrickt. Denn hinter ihrem Ruf als
Sprachrohr einer Generation, als wilde Kämpfer gegen das Establishment
und Helden des Blues und Rock'n'Roll steckt eine ganze Menge Planung.
So nahm Jagger nie als «Street Fighting Man» an Polit-Demos teil, bis
heute fällt sein ordentlicher englischer Mittelklasse-Akzent auf. Gerade
zu Beginn wurden die Stones bewusst als «böse Jungs» mit ruppiger Musik
und rüdem Auftreten konstruiert, als Gegenspieler zu den adretten
Beatles. Ihrer Musik hat das nie wirklich Abbruch getan. Heute, 50 Jahre
nach der Gründung, kennt noch fast jeder mindestens einen Stones-Hit,
die meisten sehr viele mehr.