Klinsmann hört auf

  • Moin,


    Klinsmann hat die wahrscheinlich richtige Entscheidung getroffen - wie immer! Zum einen halte ich es durchaus für möglich, daß er jetzt platt ist und eine Auszeit nehmen möchte. Ein anderer Grund ist dabei natürlich auch offensichtlich:


    Die dummdreiste Art, die in Fußballdeutschland normal geworden ist. Klinsmann war der erste (!) Bundestrainer, der der BLÖD-Zeitung am Tag vor einem Spiel nicht die Aufstellung durchgegeben hat. Klar, daß das Blatt - unterstützt durch die Bayerische Troika, die als Kolumnisten und erste Ansprechpartner fungiert - schön Politik machte.
    - Wohnort? Darf nicht sein!
    - Gummibänder? Haha, wie lächerlich!
    - Torwartfrage? Blasphemie!
    - Fachkräfte? Zu teuer!
    - Kritik an der Liga? Unberechtigt!
    - Testspiele? Zu schwankend!
    - Der Vorschlag des Sportdirektors? Nicht ernst zu nehmen!


    Im Frühling - man muß sich das nochmal in Erinnerung rufen nach dem 1:4 gegen Italien - im Frühling zitierte die BLÖD-Zeitung irgendwelche CDU-Pappnasen, die Klinsmann vor den Sportausschuß zitieren wollten, wohl um seine Kompetenz zu überprüfen! Absolut jeder hat Klinsmann ans Bein gepinkelt. Sepp Maier tut bei jeder Gelegenheit seinen persönlichen Unmut kund. Beckenbauer bläst die Backen auf, weil der Bundestrainer bei einem Trainertreffen nicht dabei ist. Jo mei, jo mei, so geht des einfoch nicht! Daß er private Gründe hatte, wie später rauskam... pffh! Hoeneß drängt an einem Montag, die Torhüterfrage doch vorzuziehen. Am Donnerstag oder Freitag der gleichen Woche wird die Entscheidung gefällt und was ist? Rummenigge und Magath heulen auf: Wie kann man so entscheiden? Wie kann man zu dem Zeitpunkt entscheiden, kurz vor einem wichtigen Spiel?


    Mann, hab ich einen Hals auf diesen Scheiß FC Bayern München...


    Und jeder Journalist ist auf diesen Zug aufgesprungen. Der Boulevard hat es als falsch und dumm angeprangert, die anderen haben nur ein Fragezeichen dahinter gesetzt.


    Dazu kommt der Erfolg dieser WM. Jetzt klopfen ihm alle auf die Schultern. Das hat Rudi Völler auch 2002 erlebt. Und was war zwei Jahre später? "Nach dem Fiasko 2004 übernahm Klinsmann den Job des Bundestrainers", so heißt es heute. Es gibt immer noch viele Vorbehalte gegen Klinsmann und die würden jederzeit wieder aufbrechen, wenn in der Quali oder in einem Testspiel nur Quark rauskommt.


    Klinsmann wäre ja geradezu verrückt gewesen, weiterzumachen.


    Nachfolger wird Jogi Löw. Das heißt: Der eingeschlagene (und richtige) Weg wird fortgesetzt. Die Altherrenriege, die nur noch mit Plattitüden aufwarten kann, darf nie wieder das Sagen haben. Die Plattitüden lauten wie folgt: "Die Deutschen sind sowieso lauf- und kampfstark, das sind unsere Tugenden (als wenn die nicht trainiert, sondern angeboren wären). Hilfsmittel wie Laptop, DVDs, amerikanische Fitneßtrainer, Scoutguru Urs Siegenthaler sind doch nur Spielzeug." Löw wird weiterhin auf diese Hilfsmittel setzen. Weil es gut ist. Diese Herumraterei hat ein Ende, stattdessen wird mit Köpfchen und objektiv gearbeitet. Gegenbeispiel: Felix Magath kuckte Ailton an und sagte "Du bist zu dick, Du spielst nicht." Er war aber nicht zu dick... oder er war der einzige Dicke der Welt, der pro Halbzeit zehn Sprints von der Mittellinie zum Tor hinkriegt, bei denen die Abwehrspieler nicht folgen können.


    Klinsmann war eh kein Trainer wie man ihn sich so vorstellt. Er war ein Moderator. Die Fitneß, die Psychologie, die Taktik - alles hat er von anderen machen lassen. Arbeitsteilung nennt man das. Spezialisierung. Expertentum. Lang bekannt in der Wirtschaft. Er war "nur" der Fixpunkt, an dem alle Fäden zusammenliefen. Das wird Löw nun übernehmen. Damit es nicht zu viel Arbeit wird, wird noch ein neuer Assistenztrainer kommen. Der wird wahrscheinlich keinen großen Namen tragen, sondern als graue Maus im Hintergrund arbeiten. Inzwischen traue ich Löw aber durchaus zu, auch als erster Ansprechpartner für die Medien eine gute Figur abzugeben. Seine Außendarstellung ist schon wesentlich souveräner als noch vor zehn Jahren.


    Im übrigen ist die Zeit der langen Ären vorbei. Herberger war Bundestrainer von 1936 bis 1964, wenn ich mich nicht irre. Schön 1964-78. Derwall 1978-84. Beckenbauer 1984-90. Vogts 1990-98. Diese langen Amtsdauern gehören der Vergangenheit an. Wie ich schon eingangs sagte, ist eine dummdreiste Art in Fußballdeutschland normal geworden. Jeder Bundestrainer wird im Grunde genommen als Lusche beäugt, ja überwacht, und bei jeder Gelegenheit vom Helden zum Deppen degradiert. Anstand, persönliche Kenntnis oder auch nur Sachverstand sind aus dem Blätterwald völlig verschwunden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man sowas länger als vier Jahre aushalten kann oder will.


    Kurzes Schlußwort: Danke, Jürgen Klinsmann!


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    PS: Ich hätte gerne in den schon existierenden Thread geschrieben, aber da fehlt mir der "Antwort"-Button (?).

    Les Trois Tetons in Oberhausen - ich war dabei

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  • Hm. In der ganzen Rubrik "Sportsbar...für die Sportfans" kann ich nichts schreiben, weil Antwort- und Zitat-Button fehlen. Nur in dieser Enklarve sind sie da.

    Les Trois Tetons in Oberhausen - ich war dabei

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