• Rockgeschichte
    Das Leben ist eine Jam-Session
    Von Volker Schmidt | © ZEIT ONLINE 1.1.2009 - 10:31 Uhr


    Vor 25 Jahren starb Alexis Korner. Er war der Vater des britischen Blues und hat großen Bands wie den Rolling Stones, Cream und Led Zeppelin die richtigen und wichtigen Impulse gegeben. Eine Würdigung


    Die Eltern von Alexis Korner müssen Idioten gewesen sein, vielleicht haben sie aber so zur Entstehung des britischen Rock beigetragen. Korner schrieb, er habe eine ekelhafte Kindheit gehabt, sei jedoch darüber hinweg. Die Familie – der Vater Kaufmann und Ex-Kavallerieoffizier aus Wien, griechisch-türkische Mutter – war immer auf Achse durch ganz Europa und Nordafrika, bis sie auf der Flucht vor dem Zweiten Weltkrieg nach England geriet. Korner, am 19. April 1928 in Paris als Alexis Andrew Nicholas Koerner geboren, erinnert sich an schräge Kostümfeste, bei denen er mit Ukulele im Matrosenanzug oder als Hula-Girl auftreten musste. Und an ein Klavier, das er zwar seit seinem fünften Lebensjahr zu spielen lernte, aber Boogie-Woogie war verboten, weil da der Papa sauer wurde: Er schloss den Tastaturdeckel zu – und Alexis lernte Gitarre spielen.


    Zu behaupten, er habe da schon den Blues begriffen, wäre übertrieben. Aber als er ihn im Londoner Luftschutzkeller am Radio hörte und ihn nach dem Krieg als musikalischer Halbprofi spielte, wusste er: Das ist seine Musik. "Ich bin teilweise türkisch", sagte er später, "teils bin ich griechisch und teils österreichisch. Und weil ich keine teils türkische, teils griechische und teils österreichische Musik kenne, fühle ich mich überaus befähigt, Blues zu spielen."


    In den Jahren 1947 und 1948 legte Alexis Korner für den britischen Soldatensender BFN in Deutschland Platten auf, spielte in Hamburger Jazzlokalen, kam dann in Großbritannien zur Band von Chris Barber. Die spielte, was alle spielten: Dixieland, verjazzten Country, Skiffle, Boogie Woogie. Aber das Bandmitglied Cyril Davies, ein Mundharmonika-Spieler und Blues-Fan, stand wie Korner auf den echten Stoff, den schwarzen Blues, den in Europa noch kaum jemand kannte: Er stand im Schatten des britischen Mersey Beat und des weißen Rock‘n‘Roll, wie ihn Bill Haley spielte. Bis Korner kam. Mit Davies verwandelte er den gut besuchten London Skiffle Club in den London Blues and Barrelhouse Club. Zwar kamen zu Beginn fast keine Gäste, dafür aber Scharen von Bluesmusikern aus den USA und der zaghaft keimenden britischen Szene.


    Korner ging mit Muddy Waters und Memphis Slim auf Tour, mit Sonny Terry und Brownie McGhee. In seiner ersten eigenen Band Blues Incorporated saß Ginger Baker am Schlagzeug, und Jack Bruce spielte Bass, bevor es beide mit Eric Clapton zu Cream verschlug. Auch Charlie Watts, Mick Jagger, Brian Jones, Keith Richards spielten mit Alexis Korner und gingen dann eigener Wege. Erster Sänger der Blues Inc. war Art Wood, der Bruder des späteren Rolling-Stones-Gitarristen Ron Wood. Der Jazzgitarrist John McLaughlin, der Bluesbreaker John Mayall, der Colosseum-Saxofonist Dick Heckstall-Smith – sie alle spielten in Korners Band. Und "sie alle", sagte der selbst, "waren bessere Musiker als ich". Aber er brachte sie zusammen und groß raus. In seinem Marquee Club – der alte Laden war zu eng geworden – spielten die Stones und die Animals, die Yardbirds und Manfred Mann, Muddy Waters und Sunny Boy Williamson, nahmen Platten und Rundfunksendungen auf. Korner zog die Fäden, ließ die Band in seiner Küche schlafen und wurde schon in mittleren Jahren zum Elder Statesman, zum Gründervater des britischen Blues ausgerufen.


    Im BBC-Konkurrenzsender ITV erklärte Korner seit Mitte der sechziger Jahre Kindern die Geschichte des Blues. Nebenher jammte er mit Größen wie Eric Burdon oder Muddy Waters. Auch bei seinen Konzerten erläuterte Korner gern, was er da spielte, woher das alles kam. Er blieb bei der Essenz des Blues, als andere zu neuen Ufern aufbrachen, schneller, härter, lauter wurden oder verspielter, verkopfter, prätentiöser. Gerade deshalb war Korner ein Katalysator für Musik wie die der Stones oder von Led Zeppelin, mit deren Sänger Robert Plant er kurz vor der Gründung von Led Zeppelin noch jammte; am Klavier saß Steve Miller.


    Korner drehte den Spieß um: Den Progrockern von King Crimson spannte er den Schlagzeuger aus, bekehrte ihn zum Blues und baute ihn in seine Ein-Album-Band Snape ein. Mit seiner Big Band Collective Consciousness Society (CCS) spielte er Anfang der Siebziger Lieder wie Satisfaction, Sunshine of Your Love oder Whole Lotta Love nach. Mit CCS hatte Korner zum ersten und zum letzten Mal ein paar Hits. Er hörte nie auf, Alben einzuspielen. Aber er sagte selbst: "Ich mag meine Schallplatten nicht. Ich war nie in der Lage, mit Stimme und Instrument das zu verwirklichen, was ich in meinem Kopf höre. Aber ich habe Spaß daran, es immer noch einmal zu versuchen." Also werkelte er im Hintergrund, verhalf jungen Bands zu Karrieren, produzierte Fernseh- und Radiosendungen.


    Zu seinem 50. Geburtstag am 19. April 1978 leistete er sich eine Session mit Eric Clapton, dem Sänger Chris Farlowe und Dick Heckstall-Smith. Die Süddeutsche Zeitung sah in ihm damals einen "Weisen und Magier", der "immer neue Kaninchen aus dem Blues-Zylinder zaubert". Am 1. Januar 1984, vor 25 Jahren also, hatte der starke Gitanes-Raucher ausgezaubert: Er starb an Kehlkopfkrebs.

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  • Der Oberbrüller ist aber auch, dass zusammen mit Keith mit Steve Marriott und Peter Frampton zwei Kandidaten für die "Great Guitar Hunt" darauf mitspielen - die also beide als Nachfolger von Mick Taylor gehandelt wurden!