2006 - Amsterdam 31.07.2006

  • Das Konzert in Amsterdam fand am Montag, den 31. Juli 2006 statt. Es sollte das mit Abstand chaotischste Konzert für mich werden, weil ich nichts im Vorfeld geplant hatte. Und das kam so:


    In der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag chatte ich mit Swampff. Aus der Bierlaune heraus fragt er lässig, ob wir nicht noch nach Amsterdam fahren wollen, um da die Stones zu sehen. Ich denke mir nichts dabei und sage zu. Ich hatte noch eine Klausur zu schreiben und am Wochenende stand schon eine Grillparty an - aber ich mache mir keine Gedanken darüber, wie etwas funktionieren oder scheitern sollte. In der Nacht fragt Swampff im Forum noch nach Eintrittskarten und siehe da: Bluesman kennt jemanden, der noch zwei übrig hat. Wie schön


    Die Tage verrinnen, das Wochenende geht vorüber. Ich habe es nicht mehr geschafft, am Sonntag zum Fantreffen nach Amsterdam zu fahren. Auch habe ich weder die 100%-ige Gewißheit wegen der Karten, noch eine Fahrroute, geschweige denn die Handynummern von Mr. Jimmy, Bluesman oder Swampff, die schon lange in der Stadt weilen. Am Montag um 12 Uhr kriege ich Jimmys Nummer. Er ruft zurück und der bei ihm sitzende Bluesman ruft: "Komm rüber!" Also fuhr ich rüber. Einfach so


    Die Fahrt zur Amsterdam Arena ist sehr unkompliziert, weil sie im Gewerbegebiet am Stadtrand liegt und in der Nähe der Autobahnen. Um 16 Uhr verlasse ich das Parkhaus und schlendere zum Stadion. Kann noch keinen Bekannten aus dem Forum entdecken. Eine Reihe von weiteren Telegrammen verschickt - die Gruppe aus dem Forum ist noch in der Innenstadt. Während ich mir ein schattiges Plätzchen für das Mittagessen suche, spricht mich Mick66 an. Wir klönen den ganzen Nachmittag. Mick66 hat schon einige Konzerte mitgemacht und weiß daher viele schöne Anekdoten zu erzählen. Gegen Viertel nach sieben treffen wir die anderen aus dem Forum: Mr. Jimmy, Guitarsolo, Mrs. M, Bluesman und Swampff sitzen relaxt im Schatten und lassen es sich gut gehen. Bluesman kann leider den Bekannten mit den FOS-Tickets nicht erreichen, da dieser sein Empfangsgerät abgeschaltet hatte. Woher bekomme ich noch eine Karte? Letztendlich konnte ich mit Bluesmans Hilfe an der Abendkasse noch einen Sitzplatz ergattern. Es war eine halbe Stunde vor Konzertbeginn und ich war unendlich froh, mit dabei sein zu können.


    Die Amsterdam Arena ist ein reines Fußballstadion für mehr als 50.000 Besucher. Das Dach ist geschlossen und in der warmen und immer dicker werdenden Luft sammelt sich der Rauch von Schweiß, Zigaretten, Zigarren und anderen Sachen, die man in Holland rauchen kann. Die Sicht auf die Bühne ist sehr gut. Die Tribünen gehen sehr steil nach unten weg, bestimmt im 45°-Winkel. Alle Sitze sind Klappsitze, und ist war alles sehr eng, sowohl zu den Seiten hin als auch nach vorne. Da rechts von mir zwei Plätze frei geblieben sind, kein Problem. Insgesamt ist das Konzert gut besucht, fast ausverkauft. Bei Fußballspielen kann ich mir richtig vorstellen, wie da Stimmung von den Rängen erzeugt wird. Bei Rockkonzerten moniert jeder den schlechten Sound. Und in der Tat: Der Ton prallt von den Wänden ab und kommt als mehrfaches Echo wieder. Das Stadion ist nicht nur wegen seines Daches eine geschlossene Einrichtung. Auch die Gänge, die außen um die Tribünen herum führen, sind allesamt vor Wettereinflüssen geschützt. Bestimmt angenehm, wenn man an rauen Herbsttagen ins Stadion geht. Es ist jede Altersgruppe gleichmäßig vertreten von 30 bis 60 Jahren, punktuell auch jünger. Um mich herum sitzen - ich sage mal - normale Konzertbesucher, die zwar die Stones gut kennen und dennoch keine Hardcorefans sind. Sie singen eher wenig mit, beklatschen vor allem die größten Hits und holen Bier, wenn Keith singt. Meine Anteilnahme dürfte dem genauen Gegenteil entsprochen haben

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  • So, jetzt aber zum Konzert. Es schlägt neun, und auf der Leinwand wird der Einspielfilm abgespielt. Er steht ganz im Zeichen des Tourmottos A Bigger Bang, dem Urknall. Charlie nimmt schon mal hinter seinem Schlagzeug Platz, mit einem Kanonenschlag endet das Intro und dann kommt Keith schnellen Schrittes auf die Bühne und beginnt Jumpin' Jack Flash. Plötzlich stehen auch Ronnie und Mick im Rampenlicht und die Stones spielen ein Konzert. Ja, genau jetzt fängt es an. Einfach so. Keiths Gitarre ist ohrenbetäubend laut. Keith ist der Chef, nur er bestimmt in welchem Moment der Herzschlag oder der Mauerstein vibriert. Mick ist nicht leiser. Sein Gesang ist ebenso laut, kraftvoll und präzise. Wirklich beeindruckend. Charlie ist natürlich auch nicht zu überhören, er spielt unaufgeregt seinen Part und hat weder Probleme mit dem Tempo noch mit Tempowechseln. Er ist eine Bank. Ronnie hält sich bei einigen Songs im Hintergrund, das kennen wir ja seit der Steel Wheels-Tour. Doch werden es seine Einsätze sein, die im Verlauf des Abends den besonderen Spaß bringen werden. Von den Begleitmusikern sind viele am Anfang des Konzerts nicht zu sehen. Darryl Jones spielt natürlich den Baß, den ich wie immer nicht wahrnehme. Auch Chucks Keyboard höre ich nur an den markanten Stellen. Die Bläser warten hinter einem Vorhang auf ihren Auftritt, und die Hintergrundsänger Lisa, Bernard und Blondie sind ziemlich leise. Und wenn Blondie dann und wann eine Gitarre hält, so kann ich sie nicht hören. Der Trend geht also weiter in die Richtung, die eigentlichen Rolling Stones wieder mehr und mehr in den Vordergrund zu stellen und die Hintergrundband nur noch punktuell einzusetzen. Es folgt bald It's Only Rock 'n' Roll. Wie immer sind die ersten Songs bei einem Konzert kurz, konzentriert und komprimiert. Jetzt erst begreife ich richtig, daß ich beim Stoneskonzert dabei bin.


    Ab dem dritten Lied, Oh No Not You Again, kann ich auch etwas zur jeweiligen Version des Liedes sagen. Der Song vom aktuellen Album ist laut und direkt. Eine Hau-bloß-ab-Hymne ganz im Stil des Some Girls-Albums zur Blütezeit des Punk. "Oh nein, nicht Du schon wieder, Du verf*ckst mein Leben, ich halte das nicht aus!" Zu diesem Refrain gibt es Powerakkorde und schnelle Chuck Berry-Melodien. Gegen Ende scheinen sie noch aggressiver zu werden und hängen sich richtig rein. Purer Rock 'n' Roll der Marke Rolling Stones. Mick nimmt schnell den Kontakt zum Publikum auf, arbeitet viel mit ausladenen Armbewegungen und Tanzschritten. Außerdem spricht er zwischen den Liedern auf englisch und niederländisch, was viel ausmacht. Die Zuschauer hängen an seinen Lippen, honorieren jedes gute Wort über Amsterdam und die Zuschauer. Und wenn Mick mit dem Finger schnippt, dann springen sie zu Tausenden auf, tanzen, applaudieren, singen. Das macht den perfekten Frontmann aus. Der nächste Song ist Bitch, erstmals bei dieser Europatournee gespielt. Ich brauche nicht enttäuscht zu sein, ihn schon bei der letzten Tour gesehen zu haben. Diesmal ist Keith lauter als die plötzlich auftauchende Bläserfraktion. Eine schöne Version eines wunderschönen Liedes mit dieser einzigartigen Melodie zum Arschwackeln.


    Es folgt der erste große Hammer, nämlich Sway. Dieser schwermütige Bluesrock lädt die Band zum Jammen ein. Hier fällt mir auf, daß Micks Stimme nicht nur gut, sondern sensationell gut ist. Und hier rückt Ronnie erstmals an diesem Abend ins Zentrum des Geschehens, denn die beiden Soli sind sein Anteil am Song. Das erste spielt er mit dem Bottleneck und das zweite direkt mit den Fingern. Er spielt schnell, schrill, konzentriert. Nicht wie Mick Taylor auf der Platte. Ronnie spielt seinen eigenen Stil und das mit Bravour. Beide Male bekommt er etwas Freiraum für seine Soli und den nutzt er auch. Wunderschöne Sache, Sway einmal live erlebt zu haben. Darauf mußten die Zuschauer 35 Jahre lang warten. Sway hat also den Midnight Rambler für heute verdrängt; und weil der Rambler wesentlich länger ist, werden einige andere Songs in der Folgezeit etwas ausgedehnt. Es bleiben 20 Lieder und es bleiben in etwa zwei Stunden Spieldauer. Die Pausen zwischen den Songs waren in der Regel kurz. Diesmal ein wenig länger, weil unter anderem noch ein Barhocker nach vorne getragen wurde; in dem Moment hatte ich die Vermutung, was uns da bevorstehen würde:

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  • As Tears Go By. Über 40 Jahre nach der Veröffentlichung graben die Stones den Song aus und spielen ihn erstmals live. Das Publikum scheint weltweit sehnsüchtig darauf gewartet zu haben, denn die Reaktion sind immer überwältigend. So auch hier. As Tears Go By war der Legende zufolge das erste Lied, das die Glimmer Twins zusammen komponiert haben. Auch heute sind Mick (stehend) und Keith (auf dem Hocker mit einer 12-saitigen Akustikgitarre sitzend) im Vordergrund, während sich alle anderen zurückhalten. Wieder einmal ungläubige Begeisterung bei mir über Micks Stimme, die klar und gleichsam gefühlvoll und fest ist wie am ersten Tag. Das Lied erzeugt eine unglaubliche Atmosphäre; Band und Zuschauer haben keinerlei Mühe mit diesem Stilwechsel vom harten Rock zur melancholischen Ballade. Das Lied besteht eigentlich aus nur wenigen Komponenten, was auch bei Keiths "Solo" auffällt. Er zupft nur ein paar Baßsaiten der Akkorde, aber die damit erzeugte Wirkung ist riesig.


    Ungewöhnlich, daß die Stones eine zweite Ballade direkt danach spielen. Aber seit Beginn der Europtournee vor drei Wochen wechseln sie den Tanzsong Rain Fall Down mit Streets Of Love ab, welches wir auch heute serviert bekommen. Streets Of Love war die erste Singleauskopplung vom A Bigger Bang-Album gewesen und hat mich maßlos enttäuscht. Diese seichte Schnulze sollte von den Stones sein? Oh Keith, warum hast Du das zugelassen! Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß sie den Song live bringen würden und daß ich (falls sie es doch tun) glücklich damit werden könnte. Alles Pustekuchen. Die Stones sind immer noch Musiker, die auf der Bühne ihre Lieder modifizieren - so auch dieses. Mick spielt auf der E-Gitarre das Intro, während Keith die akustische Gitarre spielt und kaum zu hören ist. Denn diesmal ist es ein Lied für Mick und Ron. Ron spielt nicht nur das simple Solo, das wir von der CD her kennen. Nein, er fügt gegen Ende noch einen neuen Gitarrenpart ein, der den Song um Klassen aufwertet. Gegen Ende spielen sie alle intensiver und Mick geht richtig aus sich heraus, verläßt die rhythmische Gleichmäßigkeit, wiederholt vehement Teile des Refrains, wird immer hektischer und macht aus der ehemaligen Schnulze eine Powerballade. Es ist wie die Geburt eines neuen Liedes. Und so wie sie Streets Of Love auf der Bühne präsentieren, ist dieses Stück Musik wahrhaftig eines der Höhepunkte des ganzen Abends. Wer hätte das vorher gedacht?


    Tumbling Dice habe ich inzwischen so oft gehört, daß ich ihn zuhause gerne überspringe und mich frage, warum sie diesen Song tatsächlich jedes Mal wieder spielen. Seit heute weiß ich es. Klar, es hat eine wunderschöne Melodie. Noch wichtiger ist jedoch, daß die Zuschauer sich besonders darüber freuen und schon bei den Anfangstakten einen begeisterten Applaus spenden. Warum also sollten die Stones auf Tumbling Dice verzichten? Mick singt den ersten Teil des Refrains, die Zuschauer den zweiten. Mick läßt demonstrativ seine schmalen Hüften kreisen. Gegen Ende wechselt er dann in die Falsetto-Tonlage und verleiht dem Titel eine besondere Note. Nummer neun des Abends ist ein Lied von Ray Charles: Night Time (Is The Right Time). Ein Stück Soul, ganz in dem Stile von That's How Strong My Love Is, I Can't Turn You Loose oder den Blues Brothers. Dieser Song ist bei der aktuellen Tour der Nachfolger von Gimme Shelter; hier erhält Lisa Fisher die Möglichkeit, ihr Können zu zeigen. Sie sieht gut aus, sie singt fabelhaft und deswegen gefällt es den Besuchern. Nach dem Ausklingen der letzten Akkorde nehmen die Jungs das Stück wieder auf und geben uns so ein double ending. Eine schöne Sache, die man bei ähnlichen Stücken auch auf der Theater-DVD von Four Flicks bewundern kann. Es ist 21:45 Uhr und die Vorstellung der Band steht an. Alles wie gehabt, außer vielleicht daß Charlie seinen Platz verläßt, und den ihm geltenden Applaus lächelnd von der Bühnenmitte aus genießt. Dann geht Keith ans Mikrophon und verspricht geläutert, nie wieder auf Bäume klettern zu wollen. Aber - wie auch immer - es sei schön, jetzt hier zu sein. Jaja, Keith Im übrigen ist ihm nichts anzumerken. Er hat keine Mühe mit der Show, diktiert mit seiner lauten Gitarre die meiste Zeit über das Konzert und auch sein Gesang ist gut; er bringt seine raue Stimme stets zum gewünschten Ton.

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  • Kurz vor dem nächsten Song wird eine ganze Batterie von Pyrotechnik am gesamten vorderen Rand der Bühne abgefeuert. Der Rauch ist gerade dabei in die Höhe fliegen, da brettert Keith auch schon das Riff von Start Me Up durch die Verstärker. Abermals eine lauter und kraftvoller Rocksong. Es folgt Brown Sugar, der wie gewohnt Bobby Keyes zum Saxophonsolo bittet und dann die Zuschauer zum Mitmachen einlädt. Jeder erhält ausgiebig Gelegenheit, mit den gewohnten Armbewegungen und Rufen die Stimmung anzuheizen. Die letzten Töne sind noch nicht erloschen, da lobt Mick die Zuschauer, das Licht geht aus, und die Bühne ist leer. Ein letztes Mal wird die Garderobe gewechselt für die Zugaben des Abends: You Can't Always Get What You Want gibt einmal mehr die Möglichkeit, mitzusingen. Ronnie spielt ein ausgedehntes Solo, das nicht jeden konservativen Konzertkritiker, aber jeden Rockfan begeistert. Der Schluß des Liedes ist wieder fetzig und zeigt Micks Sportlichkeit, als er den Gang zur B-Stage hin- und wieder zurückläuft. Es folgt eine letzte Nummer, Satisfaction. Die Gitarren bestimmen den Klang, alle sind immer noch in Hochform. Als das Lied zu Ende geht, und die Zuschauer schon Beifall klatschen, hockt Keith vorne auf der Bühne und improvisiert das Riff in einem anderen Rhythmus; Charlie steigt wieder mit ein und das paßt hervorragend. Dann ist die Show vorbei, alle Musiker verneigen sich. Die Begleitband geht von der Bühne und die vier Stones verneigen sich noch einmal vor den Besuchern. Der Beifall ebbt nicht ab. Eine Minute später - ich kann von meinem Platz aus sehen wie Autos vom nächsten Bühnenausgang aus mit den Stones abfahren - wird noch ein kleines Feuerwerk abgebrannt. Dann gehen langsam die Lichter wieder an und das Konzert ist um 23:02 Uhr vorüber.


    Am vereinbarten Treffpunkt Nummer zwei trudeln die anderen aus dem Forum wieder ein. Jeweils ein kurzer Blick genügt, dann weiß man, daß es jeden umgehauen hat. Bis 1 Uhr sitzen wir noch vorm Stadion und gehen die vielen Höhepunkte durch. Dann trennen sich unsere Wege. Während die anderen zurück in die Innenstadt fahren, gehe ich zum Parkhaus und mache mich auf den Heimweg. Unterwegs müde geworden, steuere ich noch einen Autobahnparkplatz an und schnarche dort zwei Stunden. Um kurz vor halb sieben bin ich wieder zuhause. Ich habe sieben Songs erstmals live erlebt. Mein Traum von Sway und As Tears Go By ist wahr geworden. Streets Of Love war die Überraschung des Abends. Ich glaube, diese Setlist ist die perfekte Mischung für alle Geschmäcker. Und trotzdem werden sie in drei Tagen in Stuttgart einige andere Lieder spielen, drei bis sieben Songs könnten gewechselt werden; im Jackpot liegen noch Let's Spend The Night Together, She's So Cold, Rain Fall Down, Midnight Rambler, This Place Is Empty, Happy, You Got Me Rocking, Paint It Black und einige andere. Ich bin gespannt!

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  • Sein erstes Stück ist Slipping Away, was angesichts der Vorgeschichte passen mag. Eine gelungene Version, die mir bei der letzten Tour in Hannover noch etwas besser gefallen hat. Vielleicht hatte ich auch nur darauf gehofft, This Place Is Empty zu sehen. Die ersten zwei Minuten des Stückes höre ich mehr als daß ich sie sehe, weil die Leute ja unbedingt zum Bierstand laufen müssen. Sowas verstehe ich nie. Before They Make Me Run war heute dagegen besser als sonst. Ronnie erhält zweimal die Möglichkeit fürs Solo und zum Schluß klinkt sich Keith dann wieder mit ein. Mit den zwei wilden Rockgitarren geht das Stück zu Ende.


    Kaum ist Keiths Teil beendet, schon fängt auch die Einleitung von Chucks Keyboard für den nächsten Teil an: Miss You. Dieser publikumsfreundliche Titel bringt nicht nur die große Gelegenheit mitzusingen, sondern auch die Band zur Mitte des Stadions. Das Schlagzeug wird nach vorne geschoben und schon erhebt sich ein kleiner Abschnitt der Bühne, der während des Liedes langsam durch die Massen gleitet. In der Mitte angekommen senkt sie sich wieder ein bißchen und präsentiert die Band wie auf einer Briefmarke, von vier Seiten umgeben von den Zuschauern. Diesmal schmeißen sie bei Miss You allen Ballast von Bord: Kein Solo von Ronnie, keines von Bobby Keyes; es gibt nur den Song mit Strophen, Refrain und Mitsingmöglichkeit. Diese wird dankbar vom Publikum angenommen. Anschließend gibt es wieder einen aktuellen Song, nämlich Rough Justice. Auf dem Album ist er mein Favorit und auch live kommt er gut an. Ein schneller, gitarrenbetonter Rocker. Mick hat auf der kleinen Bühne mehr Bewegungsfreiheit, weil er sein Mikrophon direkt im Gesicht trägt. Bis auf Charlie und Chuck laufen alle kreuz und quer herum, um sich der ganzen Masse zu zeigen. Und hier gibt es dann auch den einzigen großen Verspieler: Während Mick nach dem Refrain wieder eine Strophe singt, spielt Keith immer noch die Akkorde des Refrains. Die beiden kucken sich an, und Keith wechselt dann schnell zur neuen Stelle. Hier zeigt sich die große Erfahrung; keiner bricht ab, keiner wird nervös. Einfach weiterspielen, das ist die Devise. Und ich glaube, die meisten werden diesen Fehler somit gar nicht richtig bemerkt haben. Souverän gelöst! Mit Get Off Of My Cloud graben sie dann wieder einen ganz alten Titel aus, den sie seit Ewigkeiten (1976) nicht mehr gespielt haben. Eine gute Wahl zweifellos, die Zuschauer genießen es und singen den Refrain mit, wenn zeitgleich die Stadionbeleuchtung eingeschaltet wird. Toller Effekt, tolle Stimmung, tolles Lied


    Mit Honky Tonk Women erhebt sich dann die kleine Bühne wieder und schwebt zurück zur Hauptbühne. Jetzt beginnt der Teil mit den größten Hits, der nicht nur vom harten Fankern, sondern auch von der breit gefächerten Zuschauerschaft gefeiert wird. Keith spielt ein gutes Solo; man merkt auf dieser Tour, daß er versucht es zu variieren, nachdem es über Jahrzehnte gleich geblieben war. Sein Solo bleibt dabei zwar typisch markant, ist aber eben doch ein wenig anders. Das macht auch ein Konzerterlebnis aus. Unbemerkt baut sich für dieses Lied eine aufblasbare rote Zunge vor der Leinwand aus, die weit in die Bühne hineinragt. Zurück angekommen wechselt Mick noch schnell zum wiederholten Male die Klamotten und schlendert nun in einem roten Frack und Hut eine Treppe hinauf, die hinter das Schlagzeug vor die Leinwand führt. Das Schlagzeug und das Klavier deuten es an, Micks Intro verdeutlicht es: Jetzt kommt Sympathy For The Devil. Und um seine stimmliche Stärke zu zeigen, schreit Mick die Anfangspassage nicht ein- oder zweimal; bestimmt zehn Mal preßt er das "Whoo whoo!" ins Mikro ehe er dann in die erste Strophe einsteigt. In der Folge entwickelt sich eine heiße Version des Teufelsliedes, bei dem Keith wieder zwei Soli spielt und gegen Ende beide Gitarren ein lautes und wildes Durcheinander geben. Der Song geht wieder ab! Während der Refrains speiht die Bühne an ihren Seiten kleine Feuerfontänen, die während der Strophen als rauchende Feuer weiterschwehlen. Und das unter dem geschlossenen Stadiondach!

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  • wenn ich deinen Bericht jetzt gelesen hätte, würde ich mich morgen nicht mehr um ´ne Karte bemühen! Der war sooo ausführlich, was bleibt da noch? Les´ich nach Stuttgart!
    ach, übrigens, was hast du für deine LastMinute-Karte gezahlt?

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  • Ebenfalls ein großes Dankeschön für diesen tollen Bericht. Wann man es liest ist man noch einmal dabei. Genau so habe ich es auch empfunden.


    Wir hatten übrigens Plätze im Block 419 und konnten schräg auf die Bühne schauen. Waren schon gut unsere Sitze.


    Was soll ich noch sagen. Pokalheld hat alles geschrieben.

  • @Logo
    Hihi, für Dich hätte ich mit Zaubertinte geschrieben
    Obwohl die Vorband schon längst wieder gegangen war, wollten die den regulären Preis für die Tribünenkarte haben


    @SFM
    Nana, keine faulen Ausreden hier. "Pokalheld hat alles geschrieben". Stimmt doch gar nicht. Will noch mindestens zehn Seiten Aufsatz von der Stonesklasse lesen. Bis nächste Woche, dann ist Abgabetermin!
    Aber kein Wunder, daß Ihr das auch so gesehen habt. Ich saß Vak 421, also gleiche Perspektive

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  • Zitat

    Pokalheld schrieb am 02.08.2006 20:31
    Mit Get Off Of My Cloud graben sie dann wieder einen ganz alten Titel aus, den sie seit Ewigkeiten (1976) nicht mehr gespielt haben.


    Der wurde z.B. 29. Mai 1999: Stuttgart, Cannstatter Wasen
    und auch in Imst 1999 gespielt.


    Super Konzertbericht, dann mache das mal für alle deine erlebten Stones Konzerte.

    " Wenn STONES Fans zusammen kommen, ist es egal wo sie sich treffen,
    für ein paar Stunden sind sie einfach im STONES LAND "

    Einmal editiert, zuletzt von BrianKeith ()