NEWS - Die Scorpions wollen es noch mal wissen
24.05.2007
Donnerstag 24. Mai 2007, 10:02 Uhr --
Hannover (dpa) - Die Bezeichnung «Rock-Opas» ruft bei ihnen nur ein müdes Lächeln hervor. «Wir bringen mehr Energie rüber als so manche 20-Jährige, die quasi unbeteiligt ihre Stücke runterspielen», sagt Matthias Jabs, Leadgitarrist der Scorpions.
Für ihre krachende Bühnenshow sind die Hardrocker aus Hannover berühmt. Nach weltweit mehr als 75 Millionen verkauften Alben könnten sie sich eigentlich aufs Altenteil zurückziehen. Doch nur noch mit dem befreundeten Ex- Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Tennis zu spielen, wäre auch Sänger Klaus Meine zu wenig. Seine Band will es noch einmal wissen. Am 25. Mai kommt ihr 21. Album «Humanity Hour 1» («Stunde 1 der Menschheit/Menschlichkeit») in die Plattenläden.
Der 58 Jahre alte Meine hält das neue Album für das stärkste seit «Crazy World» aus dem Jahr 1991, also seit dem Album mit der Mauerfall-Hymne «Wind of Change». Menschen in Ost und West pfiffen damals in neuer Eintracht die Melodie. Ob man wollte oder nicht - das Lied blieb im Gedächtnis. «Humanity Hour 1» biete sogar zwölf solcher Ohrwürmer, schwärmt Jabs. Für die neue CD haben die Scorpions den amerikanischen Erfolgsproduzenten Desmond Child angeheuert, der den Sound von massentauglichen Rockbands wie Aerosmith, Bon Jovi oder Kiss geprägt hat. «Wir klingen jetzt viel zeitgemäßer», sagt Jabs, der immer noch schwer beeindruckt ist von der Arbeit im Studio in Los Angeles. «Es wurde an jedem noch so kleinen Detail gefeilt.»
Auf der neuen CD, einem «Konzeptalbum», wie Gitarrist Rudolf Schenker betont, beschwören die Musiker ein Weltuntergangsszenario. Es geht um den Klimawandel und um Menschen, die den Anschluss verloren haben. «Wir leben am Rande des Abgrunds und müssen zu mehr Menschlichkeit, zu mehr Respekt zurückkehren», ist für Meine die Botschaft. Düstere, schockierende Texte kleidet die Band in meist eingängige Melodien. Der Titel «The Cross» etwa, der mit «Smashing Pumpkins»-Sänger Billy Corgan aufgenommen wurden, beschreibt die Rachegefühle eines Jungen, der von einem Priester sexuell missbraucht wurde und den Täter ans Kreuz nageln will.
Bei den viermonatigen Arbeiten im Studio wurde nichts dem Zufall überlassen. In Los Angeles bekam jeder Musiker einen persönlichen Trainer gestellt. Statt Sex, Drogen und Rock 'n' Roll gab es nach sechs Uhr abends keine Kohlenhydrate mehr - also auch kein Bier. Schlank, gebräunt und erstaunlich faltenlos stellten die Altrocker dann auch Anfang Mai bei einem Radiosender in Hannover ihre erste Single vor. Schließlich müssen sich die Altrocker fit halten für unzählige Konzerte. «Wir sind eine eingefleischte Live-Band, die auf der Bühne erst so richtig abgeht», sagt Schenker, der die Band 1965 in Hannover gründete. Später kamen sein Bruder Michael und Klaus Meine hinzu. In den 1980er Jahren feierten die Scorpions mit Welthits wie «Rock You Like A Hurricane» oder «Still Loving You» ihre größten Erfolge.
Als kitschig und kommerziell belächeln zuweilen Musikkritiker die Platten der Hannoveraner. Einige Fans der ersten Stunde wurden zudem durch Schmuse-Balladen, Elektro-Experimente oder Projekte wie die Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern vergrault. «Die Hardcore-Fans haben wir uns aber zurückerobert», sagt Meine. Beim Festival in Wacken (Schleswig-Holstein) rockten die Scorpions im vergangenen Jahr dreieinhalb Stunden lang für tausende Heavy-Metal- Fans.
Ihr Verhältnis zur Heimat ist dennoch zwiespältig, bei der aktuellen Welttour sind Konzerte in Deutschland vorerst nicht geplant. Das vorige Album aus dem Jahr 2001 erreichte zwar immerhin Platz 4 der deutschen Charts. «Doch in Brasilien, Russland oder Griechenland füllen wir bei unseren Konzerten Fußballstadien», erzählt Jabs. Nur in diesem «Land der Schlager», wie der Gitarrist spottet, kletterten eher Titel wie «Schnappi das Krokodil» als vernünftige Rocknummern auf Platz 1. Das soll sich ändern, denn die Scorpions haben noch lange nicht genug.